„Auf die Gießer ist Verlass“ – mit diesen Worten begrüßte Hans-Jörg Dichtl, Obmann der Österreichischen Gießer, mehr als 200 Delegierte, die in der traditionsreichen Universitätsstadt Leoben in der Obersteiermark zusammengekommen waren. Ziel der Veranstaltung war es, Netzwerke zu pflegen und insbesondere neue Ideen für die Zukunftsgestaltung der Branche zu entwickeln.
Die europäische Industrie – insbesondere die energie- und personalintensiven Sektoren – steht aktuell unter starkem Druck. Österreich befindet sich im dritten Jahr in Folge in einer Rezession. Bei den Lohnstückkosten hat man innerhalb von drei Jahren gegenüber Deutschland 10 Prozentpunkte an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Italiens Bruttoinlandsprodukt wuchs in den letzten fünf Jahren zusätzlich um fünf Prozent gegenüber Österreich.
Auch die österreichische Gießereiindustrie bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont: Über viele Jahre erwirtschaftete sie mit rund 7.500 Beschäftigten einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro. Heute verzeichnet die Branche etwa 6.000 Beschäftigte und einen Umsatz von nur noch rund 1,4 Milliarden Euro. Das bedeutet einen Verlust von etwa 1.500 Arbeitsplätzen – zumindest vorläufig. Die Lage ist ernst, und es sind alle Akteure – von der Politik über die Interessensvertretungen bis zu den Unternehmen – gefordert, rasch und entschlossen zu handeln, um der schleichenden Deindustrialisierung entgegenzuwirken.
Einfache Lösungen gibt es dabei nicht. Es braucht ein neues Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge im globalen Kontext sowie eine konsistente und mutige Wirtschafts-, Standort- und Industriepolitik – sowohl auf europäischer Ebene als auch in Österreich. Der Stellenwert der Industrie als Fundament des Wohlstands muss wieder erkannt und nachhaltig gestärkt werden.
Der Wohlstand beruht auf Produktivität
Schon vor 250 Jahren stellte Adam Smith die Frage: Was macht den Wohlstand der Nationen aus? Heute wissen wir: Wohlstand beruht nicht auf der Verfügbarkeit von Ressourcen, sondern fast ausschließlich – zu 98 Prozent – auf Produktivitätsgewinnen. Ein neuer Blick auf die Bedeutung und Mechanismen von Produktivität ist daher dringend erforderlich, um unseren wirtschaftlichen Motor wieder in Gang zu bringen.
Zur Steigerung der Produktivität bedarf es eines klaren Mindsets: Mut und Zuversicht, Kreativität und Überzeugungskraft sowie den Fleiß, die eigene Zukunft aktiv zu gestalten – gerade in Zeiten der Krise. Die Gießereiindustrie zeigt seit Jahrzehnten eindrucksvoll, wie technologische Weiterentwicklung auch in einem schwierigen Marktumfeld Wettbewerbsfähigkeit sichern kann.
Im Rahmen der Vorstandssitzung des ÖGI wurde erneut eindrucksvoll bekräftigt, dass das Österreichische Gießereiinstitut – eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs – gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Gießereikunde an der Montanuniversität Leoben die technologische Weiterentwicklung des Gießens in enger Kooperation fortsetzen wird. Ein besonderer Dank gilt den Universitätsprofessoren, Geschäftsführer Dipl.-Ing. Dr. Peter Liepert und seinem engagierten Team sowie dem Mitveranstalter ProGuss.
Trotz aller Herausforderungen der letzten Jahre beweist das ÖGI eindrucksvoll, welch hohen Stellenwert die Einrichtung auch über Österreichs Grenzen hinaus genießt – und dass Leoben ein idealer Ort ist, um Fachleute aus dem In- und Ausland zu einem hochkarätigen Fachkongress zusammenzubringen. Austausch und die Pflege hochwertiger Netzwerke standen dabei im Vordergrund – und wie immer bot der traditionelle Gießerabend, diesmal im Hotel Böhlerstern in Kapfenberg, in bester Stimmung reichlich Gelegenheit zum persönlichen Austausch.
Wahrscheinlich ist es auch die traditionsreiche Umgebung – mit den bedeutenden Industriestandorten Leoben, Kapfenberg und Bruck an der Mur – und die spürbare Nähe zwischen Wissenschaft und Industrie, die den besonderen Reiz dieser Veranstaltung ausmacht.
Das Vortragsprogramm bot hochkarätige Beiträge, überwiegend von Referenten aus Österreich und Deutschland, zu Themen rund um den Eisen- und Stahlguss sowie den Aluminiumleichtmetallguss.
Im Mittelpunkt standen gelungene Praxisbeispiele für Digitalisierungsprojekte in der Gießereiproduktion, neueste Entwicklungen aus Forschung und Technik sowie innovative Produkte für die Gussindustrie.
Trotz der aktuellen Herausforderungen der Weltwirtschaft und der daraus resultierenden Schwäche der Gießereiindustrie hinterließ die 67. Österreichische Gießereitagung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen durchweg positiven Eindruck.
Die 68. Österreichische Gießereitagung wird vom 23. bis 24. April 2026 bei der Firma Fill in Gurten stattfinden