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Strategien und Herausforderungen der deutschsprachigen Gießereiindustrie

Dr. Ralf Jung, Dipl.-Ing. Andreas Schäfers, Dipl.- Ing. Bernd Abel, intra-Unternehmensberatung GmbH, Düsseldorf

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Kurzfassung

Im Jahr 2007 wurde im Rahmen einer Diplomarbeit eine empirische Untersuchung zu den Strategien und Herausforderungen der Gießereiindustrie mittels Fragebogen durchgeführt. Befragt wurden ca. 450 Eisen- und NE-Metallgießereien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zielsetzung war eine Aktualisierung der Studie ,Gießerei 2010" aus dem Jahr 2001. Auf die Befragung haben 72 Gießereien aus Deutschland geantwortet. Die sehr hohe Rückläuferquote ergibt ein repräsentatives Bild der Branche und ermõglicht differenzierte Auswertungen.

Die Gießereibranche ist im letzen Jahr deutlich gewachsen. Diese Marktentwicklung spiegelt sich in der Befragung wider. Lediglich drei der befragten Unternehmen beklagen geringe Umsatzeinbußen während mehr als 90 % der Unternehmen einen zum Teil deutlich gestiegenen Umsatz nachweisen können. Auch für die Zukunft erwarten die Unternehmen eine positive Geschäftsentwicklung.

Zu den Erfolgsfaktoren mit der größten Bedeutung für Gießereiunternehmen zählen Produktqualität, Flexibilität, Reputation/Ansehen beim Kunden sowie das Verständnis des Kundengeschäfts. Wichtig sind darüber hinaus die Mitarbeiterqualifikation, das optimale Leistungsangebot und die Lieferzeit.

Die Unternehmen wurden anhand der recherchierten Geschäftszahlen und der Antworten im Fragebogen in erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen differenziert. Die erfolgreichen Unternehmen beschäftigen sich stärker mit Forschung und Entwicklung, der Weiterbearbeitung ihrer Produkte und Logistik, hingegen weniger stark mit Putzen/Entgraten und Modellbau. Erfolgreiche Unternehmen versuchen, Kernkompetenzen und Alleinstellungsmerkmale zu erarbeiten. Diese Unternehmen setzen auf technologische Erfolgsfaktoren, der Preis der Produkte spieit als Differenzierungskriterium im Wettbewerb keine so große Rolle wie bei der weniger erfolgreichen Konkurrenz.

Weitere differenzierte Analysen zeigen eine unterschiedliche Gewichtung der kritischen Erfolgsfaktoren in den einzelnen Marktsegmenten sowie nach Unternehmensgröße auf.

Die Gießereibranche sieht der Globalisierung gespalten entgegen. Während 43 % der befragten Unternehmen der Globalisierung kritisch gegenüber stehen (13 % halten diese sogar für eine starke Bedrohung), überwiegen für 46 % die positivem Auswirkungen. Bei letzteren findem sich überwiegend erfolgreiche Unternehmen, die Globalisierung mehrheitlich als Chance begreifen. Als negative Auswirkungen der Globalisierung stehen der erhöhte Preisdruck durch die internationale Konkurrenz sowie die Verknappung der Rohstoffe im Vordergrund.

Große Gießereitechnische Tagung 2008 Aachen

1. Ausgangsituation

Die letzte Untersuchung zur Strategie für die deutsche Gießereiindustrie stammt aus dem Jahr 2001 und trägt den Titel "Gießerei 2010". Fünf Jahre später haben der VDG und intra eine Aktualisierung und Ergänzung dieser Studie konzipiert.

Im Jahr 2007 wurde im Rahmen einer Diplomarbeit diese empirische Untersuchung mittels Fragebogen und Experteninterviews in Zusammenarbeit mit der FH Südwestfalen in Meschede von den Herren Abel und Schäfers durchgeführt.

  • Befragt wurden alle dem Verein deutscher Gießereifachleute (VDG) zugehörigen Eisen- und NE-Metallgießereien in Deutschland.
  • Geantwortet auf die Befragung haben 72 Gießereien (Rückläuferquote 17,5 %). Diese hohe Beteiligung bietet repräsentative Ergebnisse und ermöglicht differenzierte Auswertungsmöglichkeiten.
  • Die Fragebögen wurden zu 95% von der Geschäftsführung oder der kaufmännischen oder technischen Leitung der befragten Unternehmen beantwortet. Dies zeigt das Interesse der Unternehmen und deutet auf hohe Validität der Daten.

Die Beteiligung der Gießereiunternehmen war höher als bei der Studie "Geißerei 2010". Allen, die mitgemacht haben, herzlichen Dank.

2. Trends und Einschätzungen der Branche

2.1 Marktentwicklung 2006-2007

Die Gießereibranche ist im letztem Jahr deutlich gewachsen. Lediglich drei der befragten Unternehmen (4%) beklagen geringe Unsatzeinbußen während mehr als 90% de Unternehmen einen zum Teil deutlich gestiegenen Umsatz angeben.

2.2 Absatzmärkte der Teilnehmer

Fast alle Gießereien verkaufen Ihre Produkte in Deutschland, die Mehrzahl in Europa. 86% der Unternehmen erzielen ihren Hauptumsatz in Deutschland. Die wesentlichen Kundenbranchen, Automobilindustrie und Maschinenbau, sind in der Studie breit vertreten. <break>

2.3 Erwartung Wachstum und Märkte

Die Mehrzahl der befragten Unternehmen erwartet zukünftig stark zunehmende Geschäfte vor allem mit Osteuropa und Fernost. Das Wachstum in Markt EU wird stärker als in Deutschland eingeschätzt.

2.4 Marktanteil und Wettbewerbsintensität

 

Die Branche ist mittelständisch geprägt. Segmente sind erkennbar: 30% der befragten Unternehmen spielen mit einem Marktanteil von über 10% in ihrem Segment eine bedeutende Rolle.Die Wettbewerbsintensität ist verhalten. Jeder zehnte Befragte sieht sich in einem ruinösen Wettbewerb. Jedes siebte Unternehmen hat eine Nische geringer Wettbewerbsintensität gefunden.

2.5 Personal: Geplante Einstellungen und Personalverfügbarkeit

 

Vier von zehn befragten Gießereien geben an, Einstellungen zu planen. Bei fast der Hälfte der Unternehmen soll zukünftiges Wachstum durch Produktivitätssteigerungen erreicht werden.Der Fachkräftemangel wird sich zukünftig verschärfen. Ursachen sind das Branchenwachstum und die demographische Entwicklung.

2.6. Berwetung der Globalisierung

Die Globalisierung spaltet die Gießereibranche. Während 46 % der Befragten die Globalisierung positiv sehen, sind die Auswirkungen für 30 % der Unternehmen negativ, für weitere 13 % der Unternehmen stellt sie eine Bedrohung für den deutschen Standort dar. <break>

3. Strategie der Gießereiunternehmen

3.1 Erfolgsfaktoren für Gießereiunternehmen

 
 

Die befragten Unternehmen sehen die folgenden Faktoren als am bedeutendsten für den Erfolg ihres Unternehmens an:

1) Produktqualität
2) Flexibilität
3) Reputation/Ansehen beim Kunden
4) Verständnis des Kundengeschäfts
5) Mitarbeiterqualifikation

Kritische Nachteile im Vergleich zum Wettbewerb sehen sie vor allem bei

1) Lieferzeit
2) Alleinstellungsmerkmal
3) Standort

Weitere kritische Erfolgsfaktoren sind

4) Produktqualität
5) Verständnis des Kundengeschäfts
6) Mitarbeiterqulifikation
7) Leistungsangebot/Fertigungstiefe

Darüber hinaus sehen sie Verbesserungsbedarf bei der Reputation

 

3.2 Strategie zur Differenzierung vom Wettbewerb

Die meisten befragten Unternehmen geben an, sich durch Qualität vom Wettbewerb abheben zu wollen. Etwa 40 % der Unternehmen geben an, sich durch Technologie vom Wettbewerb abheben zu wollen. Preisführerschaft ist eindeutig die unwichtigste Strategie.

3.2.1 Zukünftige Ausgaben für F&E

Etwa die Hälfte der Gießereiunternehmen planen mehr für F&E auszugeben, kein Unternehmen plant, die Ausgaben zu reduzieren. Als Schwerpunkt der F&E wurde die unterstützende Produktentwicklung für Kunden angegeben. Insgesamt 85 % der befragten Gießereien nutzen Software zur Simulation von Produkt-, Werkzeug- oder Verfahrenseigenschaften.

3.3 Strategie zum Umgang mit dem Wettbewerb

In Bezug auf die Wettbewerber bevorzugen die Befragten etwa in gleichen Teilen die Strategie der Kooperation (Zusammenarbeit mit Wettbewerbern) und der Isolierung (Abgrenzung von der Konkurrenz, z.B. durch Spezialisierung). Der Angriff auf den Wettbewerb, zum Beispiel durch Preiskämpfe, ist nur die Strategie weniger Befragter. <break>

4. Herausforderung Erfolg

Erfolgreiche Unternehmen

  • agieren auf Märkten mit hoher Attraktivität (positive Marktentwicklung, günstige Wettbewerbsintensität)
  • besitzen gleichzeitig eine hohe Wettbewerbstärke (hoher Marktanteil, positive Umsatzentwicklung) und erzielen ein überdurchschnittliches Ergebnis

Auf dieser Basis werden die Unternehmen bewertet und nach ihrem Hauptgeschäft klassifiziert.

Nach Kundenmärkten:

  • Automobilzulieferer: 42 % erfolgreich,
  • Maschinenbaugießereien: 49 % erfolgreich

Nach Unternehmensklassen:

  • Großguss: 65 % erfolgreich
  • Serienguss Automobilindustrie: 53 % erfolgreich
  • Flexibler Mittelstand: 37 % erfolgreich
  • Druckguss kleiner Teile: 29 % erfolgreich

4.1 Strategien erfolgreicher und weniger erfolgreicher Unternehmen

Die Differenzierunge in der Strategie sind gering.

Eine Marktabgrenzung erfolgreicher Unternehmen findet in höherem Maße durch Technologie statt, Qualität ist zunehmend selbstverständlich, der Verkaufpreis spielt als Differenzierungskriterium eine geringere Rolle.

4.2 Erfolgsfaktoren erfolgreicher Unternehmen

 

Die erfolgreichen Unternehmen gewichten folgende Erfolgsfaktoren höher als der Durchschnitt aller Unternehmen:

1) Forschung und Entwicklung
2) Alleinstellungsmerkmal
3) Verständnis des Kundengeschäfts
4) Investitionsbereitschaft
5) Innovation/Technologieorientierung

... und legen angeblich viel weniger Wert auf den Produktpreis

 

Besonders gut sehen sie sich im Wettbewerb aufgestellt bei

1) Verständnis des Kundengeschäfts
2) Entwicklungspartnerschaften
3) Automatisierungsgrad

... aber auch bei Kosten und Produktpreis

Handlungsbedarf sehen sie vorrangig bei Mitarbeiterqualifikation, Lieferzeit und Entsorgung.

 
 

4.3 Was machen erfolgreiche Unternehmen anders?

Erfolgreiche Unternehmen beschäftigen sich stärker mit Forschung/Entwicklung, Weiterbearbeitung, Logistik und weniger stark mit Modellbau, Putzen und Oberflächenbehandlung.

Erfolgreiche Unternehmen planen, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung signifikant stärker zu erhöhen.

4.4 Differenzierte Bewertung der Globalisierung

Während mehr als drei Viertel aller erfolgreichen Unternehmen die Globalisierung als Chance begreifen, sehen knapp zwei Drittel der weniger erfolgreichen Unternehmen in der Globalisierung eine Bedrohung oder starke Bedrohung. Sie fühlen sich dem internationalen Wettbewerb nicht gewachsen. <break>

5. Zusammenfassung: Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Produktqualität und Reputation beim Kunden sind notwendige Voraussetzungen für Erfolg, ermöglichen aber keine ausreichende Differenzierung, solange der Wettbewerb gravierenden Fehler macht.

Kundenorientierung bietet Differenzierungsmöglichkeiten: erfolgreiche Geißereien versuchen, das Geschäft Ihrer Kunden zu verstehen, um sich unersetzlich zu machen - vom Lieferanten zum Partner.

Das Leistungsangebot bietet ebenfalls Diefferenzierungsmöglichkeiten: Forschung und Entwicklung, Bearbeitung von Gussteilen, Logistik.

Internationalität und internationale Wettbewerbsfähigkeit wird wichtiger: Der Markt ist Europa, für Spezialisten auch Asien und die Welt.

Auch in Zeiten hoher Auslastung können erfolgreiche Unternehmen flexibel reagieren, die Verkürzung von Lieferzeiten bietet aktuell Wettbewerbsvorteile.

Für Erfolg ist neben der Preisgestaltung konsequentes Kostenmanagement bedeutend.

Presonalqualifikation und - verfügbarkeit wird in Zukunft noch wichtiger. Gute Mitarbeiter ausbilden, fördern und binden ist für die einzelnen Unternehmen und die Branche insgesamt essentiell.

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