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Zusammenarbeit vs. Cherry Picking

Beitrag vom Unternehmensberater Johannes Messer

Lesedauer: min

Die weltweite Aluminium Gießereiindustrie befindet sich seit den achtziger Jahren in einem permanenten Wachstum. Getragen wurde dieses Wachstum wesentlich durch die Substitution vieler Teile des Antriebsstrangs durch Aluminium-Gussteile. Technologisch konnte, durch das exzellente Know-how des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks, überwiegend in Europa der Grundstein für diese Entwicklung gelegt werden. Von den erzielten Erfolgen in Bezug auf den automobilen Leichtbau haben neben den Gießereien vor allem die Automobilindustrie und die Umwelt profitiert.

Durch die Erfolge konnte sich die Gießerei-Branche als wahrgenommener Lieferant und bedeutender Entwicklungspartner der Automobilindustrie etablieren.

Seit dem 4. Quartal 2018 ist diese Erfolgsgeschichte im Prinzip ohne Vorwarnung und Verschulden der Gießereien ins Stocken geraten. 

Mit immer lauter werdenden Forderungen nach CO2 Reduzierungen geriet die Automobilindustrie immer stärker unter Druck. Die bisherigen automobilen Antriebsformen waren schnell als wesentliche Quelle des Übels ausgemacht. Die Transformation zu alternativen Antriebsformen gewann in der Automobilwelt rasant an Bedeutung. In einem stark verunsicherten Automobil-Absatzmarkt kam es in der Folge zu deutlichen Bedarfsrückgängen. Von diesen Bedarfsrückgängen war die Gießereiindustrie vom ersten Tag massiv betroffen.

Mit der Corona-Pandemie und daraus resultierend der Ausweitung der bereits vorhandenen Krise verschärfte sich die Situation. Besonders tangiert war die bereits vorbelastete Gießereiindustrie. Die Gießereiindustrie hatte in den vergangenen Jahren immer wieder neue Produkte entwickelt und diese häufig nach der Industrialisierung an Wettbewerber aus Low-cost Regionen verloren.

Die Industrie- und Tarifpolitik in Deutschland haben es nicht geschafft diesem Trend entgegenzuwirken.


Chancen

Die in der Folge seit Ende 2018 verstärkt eingeleitete Transformation (ICE → z.B. BEV) in der Automobilindustrie, hat permanent an Geschwindigkeit zugenommen. Durch diese Entwicklung hat sich der bereits vorhandene Trend zum Leichtbau in der Automobilindustrie noch einmal verstärkt. Neben der Leistungsfähigkeit der Batterie, ist das Fahrzeuggewicht der wesentliche Hebel zur Erhöhung der Reichweite der Fahrzeuge. Reichweite und Preis sind die Top Entscheidungskriterien beim Kauf eines E-Autos und somit wesentliche Erfolgskriterien.

Neben allen offensichtlichen negativen Folgen der Transformation („Verlust“ des Antriebsstrangs) für die Aluminium Gießer liegen im Leichtbau enorme Chancen. Im Wettbewerb mit anderen Verfahren (Al-Bleche, Al-Profile) und Werkstoffen (Stahl, faserverstärkte Kunststoffe, ...) können und müssen weitere Fahrwerk- und Strukturteile für eine erfolgreiche Zukunft der Gießereiindustrie gewonnen werden.

Erfolgsgarant ist an dieser Stelle die Entwicklungsarbeit zwischen den Gießereien (inclusive dem Gießereinetzwerk) und den OEM`s. Diese Allianz, speziell in Deutschland/Europa, hat bereits in der Vergangenheit Leichtbaulösungen erfolgreich entwickelt und industrialisiert:

Getriebegehäuse
Felgen
Zylinderköpfe
Motorblöcke
….
Diese Entwicklungen gelten noch heute als Meilensteine des automobilen Leichtbaus und stellen sowohl für die beteiligten Unternehmen als auch für die Umwelt große Erfolge dar.

Bei den ersten Fahrwerks- und Strukturteilen aus Leichtmetallguss konnten mit dem gleichen Ansatz sowohl technologisch als auch wirtschaftlich erste Erfolge erzielt werden. Diese ersten Erfolge haben weitere Potentiale aufgezeigt. Das Erfolgsrezept ist bekannt und erfolgreich erprobt. Zur Umsetzung werden starke Partner gebraucht, die sowohl technologisch (Mitarbeiter Know-how) als auch wirtschaftlich (Finanzbasis) dazu in der Lage sind. 

Risiken

Die wirtschaftliche Situation der Leichtmetall Gießereien in Deutschland ist seit Jahren unbefriedigend. Vorhandene Produktivitätsvorteile reichen immer weniger aus, um die permanent steigenden Standortnachteile (Lohn- und Energiekosten, Steuern) auszugleichen. Die Krise hat diese Situation verschärft und zusätzlich die dünne Finanzdecke der Gießereien weiter belastet.

Um die Folgen der Krise, die von Experten als gravierend und langanhaltend beurteilt werden, zu beseitigen wird es einiger Zeit bedürfen.

Die Gießereien müssen in dieser Zeit ….

 •     ihre Ertragssituation wieder auskömmlich gestalten

•     Liquidität für notwendige Investitionen generieren

•     den Verlust der Brot- und Butterteile (Antriebsstrang) wirtschaftlich überbrücken

 …. um parallel gemeinsam mit der Automobilindustrie die notwendige technologische und wirtschaftliche Entwicklung des automobilen Leichtbaus (Fokus: Fahrwerk- und Strukturteile) voranzutreiben.

Die zu erwartenden Erfolge sind für die Automobilindustrie (Reduzierung von Fahrzeuggewicht und der Gesamtkosten), die Gießereiindustrie (Sicherung des Umsatzes) und die Umwelt (Reduzierung der CO2 Emissionen) lebensnotwendig.

Um diese Herausforderungen zu stemmen bedarf es großer Anstrengungen. Die Gießereien müssen ihre Ressourcen intern auf die Ergebnisverbesserung und gemeinsam mit der Automobilindustrie auf die Entwicklung neuer technologischer und wirtschaftlicher Meilensteine im automobilen Leichtbau fokussieren. 

Das Gießereinetzwerk in Deutschland/Europa ist dazu in der Lage. 

Parallel zur Bewältigung dieser Herausforderungen können die Gießereien jedoch keinen zusätzlichen Beitrag leisten, um die wirtschaftliche Situation einzelner Kunden weiter zu verbessern.

Es ist wenig hilfreich, dass einige, bei ihrem Bemühen die eigene Ergebnissituation zu verbessern bei den Gießereien Preiskorrekturen bei Preisbestandteilen (z.B.Metall) einfordern, bei denen die Gießereien keine Kostenentlastung umzusetzen können. 

Die ohnehin schon angespannte Ergebnissituation wird weiter belastet, was aktuell für viele Gießereien bedrohlich ist. Eine isolierte Betrachtung und Bewertung einzelner Preis- bzw. Kalkulationspositionen ist nicht zielführend. Einzelne Kostenpositionen auf Basis solcher Bewertungen einseitig verändern zu wollen ist Cherry-Picking.

Zusammenarbeit vs. Cherry Picking (To do`s)

 Zur Bewältigung der (eigenen) Krise müssen sowohl die Gießereien als auch die Kunden ihre Ergebnissituation, intern, eigenverantwortlich und kurzfristig verbessern.

Gemeinsam sollte parallel an der Zukunft gearbeitet werden. Die technologische und wirtschaftliche Weiterentwicklung der Produkte hat dabei Priorität. Die dort vorhandenen Potentiale sind für alle Beteiligten (Gießereiindustrie, Automobilindustrie und die Umwelt) sowohl technologisch/ökologisch als auch wirtschaftlich eine große Chance. Gemeinsam können Gießerei- und Automobilindustrie an bereits erzielte Erfolge anknüpfen.

 Starke Partner waren und sind der Garant für den Erfolg.

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