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Erfahrungen mit innovativer Heißlufthärtung von Bindern

Mit Wasserglas gebundene Formstoffe können die für anorganische Bindemittelsysteme erforderlichen Festigkeitswerte durch Heißluftbegasung erreichen. Beheizte Kernkästen haben sich dabei in der Großserienproduktion bewährt. Die Heißlufthärtung bietet jedoch eine kostengünstigere Alternative, die auch für kleinere Losgrößen geeignet ist. Von Hartmut Polzin und Theo Kooyers

 

Lesedauer: min | Bildquelle: Peak Deutschland GmbH

Bereits auf der GIFA 2003 stellten verschiedene Binderhersteller Entwicklungen neuer wärmehärtender, anorganischer Bindemittelsysteme vor – ein Prozess, der bis heute andauert. Grundlage dieser Entwicklungen war die bekannte Tatsache, dass mit Wasserglas gebundene Formstoffe bei temperierten Kernkästen deutlich höhere Festigkeiten erreichen können als beispielsweise bei der klassischen Kohlendioxidbegasung.

Diese hohen Festigkeiten waren eine wesentliche Voraussetzung für anorganische Bindemittelsysteme, da einer der Hauptimpulse für diese Entwicklung aus der Automobilindustrie kam – mit dem Bedarf an der Großserienproduktion teils hochkomplexer und filigraner Kerne für Fahrzeugkomponenten. Dieser Beitrag berichtet über ein Heißluft-Härteverfahren zur Herstellung anorganisch gebundener Kerne, das ohne aktiv beheiztes Kernkastenwerkzeug auskommt [1].

Stand der Technik

Der aktuelle Stand der Technik ist nach wie vor, dass ein silikatbasiertes Bindemittelsystem üblicherweise mit dem Formgrundstoff vermischt und in einen auf 160–200 °C temperierten Stahlkernkasten eingeblasen wird, in dem sich eine stabile Randschale bildet. Durch die Kombination mit Heißluftbegasung lassen sich die Zykluszeiten auf akzeptable Werte reduzieren.

Der Hauptnachteil dieser Verfahren besteht darin, dass sie aufgrund der hohen Werkzeug- und Energiekosten praktisch nur in der Großserienproduktion (meist in der Automobilgießerei) eingesetzt werden können. Zudem ist die Anwendung auf die Herstellung von Aluminiumgussteilen beschränkt, da verschiedene technologische Eigenschaften (z. B. Restfestigkeit/Zerfallverhalten) unzureichend sind. Einen nach wie vor gültigen Überblick liefert [2].

Heißlufthärtende anorganische Kerne

Die Entwicklung des hier vorgestellten Bindemittelsystems soll insbesondere Eisen- und Stahlgießereien – oft Kunden- oder Lohnfertiger mit häufig wechselnden Produktpaletten und Stückzahlen – die Möglichkeit bieten, anorganisch gebundene Kerne einzusetzen. Entscheidend ist hierbei der Verzicht auf teure, beheizte Stahlkernkästen, die sich nur in Großserien amortisieren.

Das eingesetzte Bindemittel ist ein alkalisilikat- bzw. wasserglasbasiertes System, das mit einer Vielzahl an Oxiden modifiziert wurde und keinerlei organische Bestandteile enthält [3]. Der Formstoff wird ausschließlich durch Begasen mit ca. 160 °C heißer Luft ausgehärtet. Es handelt sich um ein einkomponentiges System, das ohne Zusatzstoffe in Dosierungen von unter 2,5 %, meist sogar unter 2 %, eingesetzt werden kann.

Praktische Erfahrungen

Vergleich der Formstofffestigkeiten:

Abbildung 1 Die Untersuchungen zeigen, dass die Festigkeiten des Systems im Vergleich zu anderen anorganischen Bindern ausreichend und praxisgerecht sind. Besonders interessant ist die Tatsache, dass auch bei sehr niedrigen Bindemittelgehalten stabile Ergebnisse erzielt werden. Durch die Verwendung sehr trockener Heißluft können zudem auch bei geringeren Temperaturen zufriedenstellende Härteergebnisse erzielt werden.

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Festigkeiten mit steigenden Temperaturen ebenfalls zunehmen. Abbildung 2 zeigt dies für eine Temperatur von 200 °C (wieder Kernkasten- bzw. Begasungstemperatur). Ein Anstieg der Festigkeit ergibt sich tatsächlich nur bei den Bindern B1 und B3; die Festigkeiten des Peak-Systems bleiben annähernd gleich. Dies ist interessant für die Bestimmung der optimalen Begasungstemperatur im Hinblick auf Kosten und Umweltschutz. Werden die Kerne in feuchter Umgebung gelagert, zeigt sich der Vorteil einer höheren Härtungstemperatur deutlich. Binder B3 weist dabei die besseren Werte für spezifische Festigkeiten auf.

Einfluss der Begasungstemperatur
Da die Temperatur der Härtungsluft ein Kostenfaktor ist, wurden Versuche durchgeführt, bei denen die Lufttemperatur für Begasung und Härtung variiert wurde. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse dieser Tests für drei Bindersysteme. Das als VC bezeichnete Bindemittel ist das Ausgangssystem, während VC-HR und VC-CB speziell für besondere Anwendungen ausgelegte Binder darstellen.

Die folgenden Parameter wurden in dieser Versuchsreihe verwendet:

  • Begasungstemperatur: 160 °C bis 60 °C in fünf Stufen

  • Begasungszeit: 60 s

  • Sandtemperatur: 25 °C

  • Quarzsand QQs 26

  • relative Luftfeuchtigkeit: 45 %


Abbildung 3 zeigt, dass bis zu einer Begasungstemperatur von 60 °C – mit wenigen Ausnahmen – brauchbare Ergebnisse erzielt werden können. Besonders interessant ist an dieser Stelle der sehr niedrige Bindemittelgehalt von 1,75 %! Der Grund für dieses Verhalten liegt in der Verwendung von sehr trockener Luft zur Begasung der Prüfkörper. Dadurch kann auch bei niedrigeren Temperaturen eine zufriedenstellende Abführung von Wasser und Wasserdampf aus dem Kern während der Härtung erreicht werden. Diese Zusammenhänge sollen in naher Zukunft noch genauer untersucht werden.

Die Festigkeiten wurden unmittelbar sowie nach 1 bis 3 Tagen ermittelt. Die Prüfbedingungen für die „1d nass“-Werte lagen bei 25 °C und 75 % relativer Luftfeuchtigkeit. Bei den Bindern B1 bis B3 bezieht sich die Temperatur auf die Kernkastentemperatur. Die erzielten Festigkeiten sprechen für sich:

  • Alle Binder zeigen während der ersten Tage der Lagerung unter Normalbedingungen einen Festigkeitsanstieg, was auf fortschreitendes Austrocknen zurückzuführen ist.

  • Zwei der Vergleichssysteme reagieren empfindlicher auf die Lagerung in feuchter Umgebung.

  • Die Festigkeiten des Peak-Bindersystems liegen niedriger als die der anderen Systeme, was auf den geringeren Bindemittelgehalt zurückzuführen ist. Diese Werte könnten bei Bedarf durch eine Erhöhung des Bindemittelanteils gesteigert werden. Die hier gezeigten Festigkeiten sind jedoch für viele Anwendungen ausreichend. Das Potenzial des Systems wird in Abbildung 1b deutlich.

Entkernungsverhalten und Restfestigkeit

Einer der „klassischen Nachteile“ von Wasserglas-Bindersystemen, wie er aus der Literatur bekannt ist, besteht in der hohen Restfestigkeit von Kernen oder Formen nach dem Abguss, verbunden mit einem hohen Entkernungsaufwand. Nicht zuletzt war dieser Nachteil ein wesentlicher Faktor für den deutlichen Rückgang der Prozessanteile ab den 1970er Jahren.

Das Ziel bei der Entwicklung moderner anorganischer Bindersysteme muss daher neben anderen Eigenschaften insbesondere auch die Verbesserung des Entkernungsverhaltens sein. Da das hier vorgestellte Bindersystem speziell für den Einsatz im Eisen- und Stahlguss entwickelt wurde, musste diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Zu diesem Zweck wurden Gießversuche in einer Eisengießerei durchgeführt, bei denen beschichtete und unbeschichtete Prüfkernkörper (Abb. 4a) eingesetzt wurden, um eine belüftete Bremsscheibe aus Grauguss mit lamellarem Graphit (Kernmasse ca. 15 kg) herzustellen. Zum Vergleich wurden Standard-PUR-Cold-Box-Kerne verwendet.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass zwischen beschichteten und unbeschichteten Kernen keine deutlichen Unterschiede erkennbar waren. Die visuelle Beobachtung des Zerfalls- und Entkernungsverhaltens zeigte, dass die Kanäle der Gussteile bei den anorganischen Kernen mit Formstoffanhaftungen gefüllt waren, was bei den Cold-Box-Kernen nicht der Fall war (Abb. 4b, c). Nach dem normalen Sandstrahlprozess wurden diese Sandablagerungen jedoch ebenfalls vollständig entfernt. Die weiteren Kerne dieser Serie wurden wie gewohnt in die Produktion eingespeist und gaben keinen Anlass zu Beanstandungen.

 

Bei der Auswertung der Gussteile wurde ein Vorteil der auf Wasserglas basierenden anorganischen Bindemittelsysteme deutlich, der nicht unterschätzt werden sollte: das weitgehende Ausbleiben von Veining. Dieser Formstoffausdehnungsfehler, der insbesondere für das PUR-Cold-Box-Verfahren typisch ist, tritt bei wasserglasbasierten Bindemittelsystemen aufgrund der dort vorhandenen thermoplastischen Bindung und bei bestimmten Gussbereichen (Abb. 5) nur in sehr geringem Maße auf.

 

Um dieses subjektiv positive Verhalten mit Zahlen zu untermauern, sollte das Auspackverhalten auf Grundlage der Restbiegefestigkeit bewertet werden: Zu diesem Zweck wurden Biegebalken hergestellt, die 24 Stunden nach der Produktion für 5 Minuten der Prüftemperatur ausgesetzt und 2 Stunden nach der Entnahme aus dem Ofen getestet wurden.

Die Prüftemperaturen betrugen 200, 400 und 800 °C.

Die in Abbildung 6 dargestellten Ergebnisse bestätigen die positiven Eigenschaften, die sich bereits aus den Gießversuchen in dieser Richtung ergeben haben. Die Prüftemperatur von 400 °C soll dabei den Trend im Bereich Aluminiumguss repräsentieren, während die Temperatur von 800 °C für den Eisenguss steht. Daraus lässt sich schließen, dass das vorgestellte anorganische Bindemittelsystem ein Zersetzungs- und Auspackverhalten aufweist, das dem PUR-Cold-Box-Verfahren ähnelt.

Beispiele aus der Praxis

Bislang wurden Kerne mit dem vorgestellten anorganischen Bindemittelsystem in einer ganzen Reihe von Gießereien produziert und erfolgreich eingesetzt. Die in Abbildung 7 gezeigten Kerne sind beispielhaft für den Bereich Eisenguss. Das Spektrum reicht von Außenkernen für Kernpakete über den bereits erwähnten Bremsscheibenkern bis hin zum filigranen Ventilkern. Der Bereich Nichteisenguss, der bisher in diesem Beitrag nicht im Fokus stand, wird eindrucksvoll durch das in Abbildung 8 gezeigte Beispiel illustriert. Auch hier reicht die Bandbreite möglicher Anwendungen von einfachen Kernen, z. B. für Ansaugkrümmer, bis hin zum hochkomplexen Zylinderkopf-Kern. Die gezeigten Beispiele werden in den Bereichen Kupfer- und Aluminiumguss eingesetzt.

Zusammenfassung

Das vorgestellte anorganische Bindemittelsystem auf Basis von Wasserglas ist eine Alternative zum PUR-Cold-Box-Verfahren, die im Eisen- und Stahlguss eingesetzt werden kann. Der flüssige Einkomponentenbinder wird in geringeren Mengen dosiert als vergleichbare Bindemittelsysteme: Die bisher eingesetzten Mengen liegen zwischen 1,5 und 2,5 %, können bei Bedarf jedoch auch erhöht werden.

Das Einkomponentensystem erleichtert die Binderzugabe an der Kernschießmaschine, und die gewünschten Festigkeiten werden durch vergleichsweise höhere spezifische Festigkeiten sichergestellt. Die Aushärtung der hergestellten Kerne erfolgt über 160 °C warme Begasungsluft. Das Kernkastenwerkzeug wird nicht beheizt. Bei der Auswahl des Kernkastenmaterials ist auf die Verwendung thermisch beständiger Kunststoffe zu achten. Kernkästen aus Metall (Aluminium oder Stahl) bieten Vorteile hinsichtlich kürzerer Zykluszeiten.

Wird besonders trockene Luft eingesetzt, kann die Aushärtung auch bei niedrigeren Temperaturen erfolgen. Das Bindemittelsystem kann selbstverständlich auch im Warm- oder Heißkastenverfahren eingesetzt werden. Dass Veining nur in Ausnahmefällen bei den anorganisch gebundenen Kernen auftritt, ist in der Putzerei sicherlich ein willkommener Vorteil.

Das Restfestigkeits- und Auspackverhalten ist dem des PUR-Cold-Box-Verfahrens sehr ähnlich. Neben den für Eisen- und Stahlguss entwickelten Bindern sind auch Varianten für Aluminium- oder Kupferguss erhältlich.

www.peak-giesserei.de Auszug aus „GIESSEREI“ (2024), Heft 2, Seite 43 – 47. © DVS Media GmbH, Düsseldorf

 

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