Rund 400 Fach- und Führungskräfte aus allen Bereichen der deutschen Gießereibranche kamen jüngst in Aachen zum Deutschen Gießereitag 2025 zusammen. Unter der Regie des BDGuss – namentlich Dr. Sebastian Tewes, Präsident Clemens Küpper, Hauptgeschäftsführer Max Schumacher und Moderator Martin Vogt – erwartete die Teilnehmenden ein Programm, das die aktuellen Herausforderungen der Industrie punktgenau traf.
Denn die Lage ist ernst: Steigende Energie- und Rohstoffkosten, geopolitische Spannungen und ein akuter Fachkräftemangel setzen die Gießereien massiv unter Druck. Jetzt gilt es, die richtigen politischen und unternehmerischen Weichen zu stellen, um Bestand und Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland zu sichern. Mit einem Feuerwerk an industriepolitischen Impulsen legte die Tagung den Finger genau in diese Wunde – und eröffnete mit der Keynote des renommierten Ökonomen Prof. Jens Südekum, der die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen prägnant auf den Punkt brachte.
Hier die wesentlichen Statements in der Übersicht:
1. Deindustrialisierung nimmt Fahrt auf
- Deutschland verliert derzeit rund 10.000 Industriearbeitsplätze pro Monat – deutlich mehr als noch vor wenigen Monaten.
- Was früher langsamer Strukturwandel war, entwickelt sich zunehmend zu einer echten Standortkrise.
- Gleichzeitig entstehen neue Jobs im Pflege- und Sozialbereich – wichtig, aber deutlich schlechter bezahlt und mit geringerer Wertschöpfung als klassische Industriearbeitsplätze.
2. Industrie sichert Regionen – auch den Mittelstand
- Gerade mittelständische Gießereien prägen viele ländliche Regionen: Sie schaffen hochqualifizierte Arbeitsplätze, halten Zulieferketten am Laufen und sichern soziale Strukturen.
- Wenn industrielle Kerne wegbrechen, leidet nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch das regionale Umfeld: Handwerk, Gastronomie, Logistik und Familienbetriebe.
3. Hauptprobleme: Energie, Absatzmärkte, Fachkräfte
Energiepreise – Noch immer ein Wettbewerbsnachteil
- Auch wenn sich die Lage gegenüber 2022 etwas entspannt hat: 	- Strom ist in Deutschland weiter zu teuer, vor allem im Vergleich zu Standorten wie den USA oder China.
- Besonders Netzentgelte und Erzeugungskosten bleiben ein großer Kostenblock – und damit ein Investitionshemmnis.
- Planungssicherheit für den Strompreis der nächsten 10–15 Jahre fehlt – das erschwert Umstellungen auf Elektrifizierung, z. B. bei Schmelzbetrieben.
 
Marktrisiken – China und USA als Unsicherheitsfaktoren
- China setzt durch staatlich geförderte Überkapazitäten (z. B. im Automobilbereich) deutsche Schlüsselindustrien unter Druck.
- Die USA unter Trump fahren eine zunehmend protektionistische Handelspolitik – neue Zölle und Unsicherheit auf einem ehemals stabilen Exportmarkt.
- Viele Gießereien sind indirekt abhängig von Automotive und Maschinenbau – daher treffen geopolitische Spannungen auch die Zulieferbetriebe direkt.
Fachkräftemangel und Generationenwandel
- Es fehlt an Gießereimechanikern, Meistern, Ingenieuren – gerade in kleinen und mittleren Betrieben.
- Die „Boomer-Generation“ geht in Rente – und neue Kräfte müssen schneller eingearbeitet und digital befähigt werden.
- Dafür braucht es: gute Ausbildung, digitale Assistenzsysteme und attraktive Arbeitsumgebungen – auch in traditioneller Produktion
4. Was plant die Politik – und was bedeutet das konkret für Gießereien?
Energiepolitische Maßnahmen in Vorbereitung
Was zu erwarten ist (Stand Juni 2025):
- Stromsteuersenkung – symbolisch, aber wenig spürbar.
- Deckelung der Netzentgelte – sehr relevant, besonders für mittelständische Verbraucher.
-  Industriestrompreis – politisch gewollt, aber rechtlich (EU-Beihilferecht) noch nicht gelöst.
 → Ziel: Langfristige Planungssicherheit für Investitionen in Elektrifizierung, CO₂-Reduktion und Automatisierung.
Investitionsoffensive aus Berlin
- Neue Sondervermögen und Schuldenregel-Reformen schaffen finanzpolitischen Spielraum.
- Geplant sind staatliche Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung, auch im produzierenden Gewerbe.
- Die Förderlandschaft wird sich ändern – Mittelstand und Gießereien müssen darauf vorbereitet sein, neue Programme aktiv zu nutzen.
5. Was jetzt wichtig ist für den Mittelstand
Energie und Digitalisierung zusammendenken
- Produktionsprozesse müssen energieeffizienter und digitaler werden – das braucht Klarheit über Energiepreise und Investitionssicherheit.
- KI-gestützte Assistenzsysteme, wie im ReGAIn-Projekt gezeigt, können auch in kleineren Gießereien helfen, Wissen zu bewahren und neue Mitarbeitende schneller einzuarbeiten.
Fachkräfte halten und gewinnen
- Die nächste Generation hat neue Ansprüche – digitale Ausstattung, Weiterbildung, Familienfreundlichkeit und Sicherheit spielen eine größere Rolle.
- Quereinsteiger schneller qualifizieren, etwa durch praxisnahe Lernplattformen, wie den Gießerei-Kompass 4.0.
Neue Märkte erschließen
- Deutschland kann sich nicht mehr allein auf China oder die USA verlassen.
 → Wachstumschancen bestehen u. a. in Indien, Lateinamerika, Kanada oder Australien.
 → Auch europäische Nachfrage stärken – Binnenmarkt ausbauen.
Politik mitgestalten
- Mittelstand und Gießereien müssen ihre Stimme erheben: 	- Für faire Strompreise
- Für technologieoffene Förderung
- Für realistische Übergangsfristen bei neuen Klimaauflagen
- Für schnellere Genehmigungsprozesse
 
Fazit: Der Mittelstand braucht Verlässlichkeit – jetzt
Die Lage ist ernst – aber es bestehen Chancen.
 Was Gießereien jetzt brauchen, ist Planbarkeit bei Energie, Tempo bei Bürokratie, Zugang zu Talenten und echte Unterstützung bei Investitionen.
 Die Politik hat neue Möglichkeiten – jetzt müssen sie im Mittelstand auch ankommen
Über Prof. Dr. Jens Südekum:
Er ist ein führender deutscher Ökonom – und in seiner Keynote nicht zufällig der Top-Redner beim Gießereitag 2025:
- Lehrstuhlinhaber für International Economics am Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich-Heine‑Universität Düsseldorf.
- Ergänzend zu seinen akademischen Aufgaben berät er die Bundesregierung: Seit Juni 2025 ist er persönlicher Berater von Finanzminister Lars Klingbeil, u. a. in Fragen zu Globalisierung, Strukturwandel und Finanzpolitik.
- Er ist Mitglied renommierter Research-Fellowships, u. a. beim CEPR, CESifo, IAB und IZA, und Autor in führenden internationalen Journalen (u. a. American Economic Review, Journal of Urban Economics) – vielfach ausgezeichnet und geachtet im deutschsprachigen Raum.
- Themenschwerpunkte seiner Forschung sind: internationaler Handel, Globalisierungs‑ und Technologiefolgen auf Arbeitsmärkte, regionale Wirtschaftsentwicklung – hochrelevant für die industrienahe Produktion und strategische Branchenthemen auf dem Gießereitag .
Mit dieser Expertise lieferte Prof. Südekum eine fundierte Grundlage für die Wirtschaftsdiskussionen der Gießereiindustrie.
 
                         
                                     
                                 
                                 
                                         
                                         
                                         
                                        