Anfang 2025 lehnte Andre Kuhn, der CEO des Stahlzulieferers Kuhn Edelstahl, einen Millionenauftrag ab. Drei Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges wurden Kuhn zwei Projekte zur Herstellung von Komponenten für Lenkwaffensysteme und Panzergeschütze angeboten: ein langfristiges Millionengeschäft.
Er lehnte es ab.
„Ich kann das nicht tun", sagte Kuhn. „Mein Sohn und Mitinhaber Calvin sowie mein Partner in der Geschäftsführung und Mitinhaber Andreas Willim teilen hier glücklicherweise meine Meinung“, teilte er über seine Website Familienunternehmer Blog mit.
„Ich kann die Ressourcen unseres Unternehmens – die Energie, Schaffenskraft, Ideen und Kompetenzen – nicht dafür einsetzen, etwas herzustellen, dessen primärer und einziger Zweck darin besteht, andere Menschen zu töten.
Ich finde die Vorstellung unerträglich, ein zerstörtes Gebäude mit toten Menschen zu sehen und im Zentrum dieses Leids eines unserer Produkte. Ich habe bis heute nicht verstanden, wie und warum Menschen immer wieder andere Menschen töten können und wollen“, sagt er.
Kuhn möchte hier standhaft bleiben, obwohl die Rüstungsindustrie vor allem in Deutschland massiv in den Kapazitätsausbau investiert und damit einen vielversprechenden und sehr profitablen Markt geschaffen hat.
Als Unternehmer ist er keineswegs stolz darauf.
„Man könnte uns sogar vorwerfen, wir ‚verstecken‘ uns hinter den Unternehmen und unseren Wettbewerbern, die diese Komponenten an unserer Stelle produzieren werden. Wir wollen Sicherheit in Deutschland und Europa, sind aber nicht bereit, die hierfür notwendigen Schritte zu gehen."
Deutschland stehe heute vor neuen Herausforderungen, sagt er. Deutschland müsse in der Mitte Europas verteidigungsfähig bleiben und die kaum noch vorhandene Abschreckungswirkung unserer Bundeswehr und ihrer Verbündeten schnell und umfassend wiederherstellen.
„Wir erkennen, dass wir auch mitten in Europa verteidigungsfähig bleiben müssen, und wir sehen die Notwendigkeit, schnell und sehr umfangreich die kaum noch vorhandene Abschreckwirkung unserer Bundeswehr und ihrer Bündnispartner wiederherzustellen. Wir erkennen, dass die dunkle Zeit der kriegerischen Bedrohungen nicht vorbei ist. Die Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes ist real. Deutsche Soldaten sind in den baltischen Staaten stationiert und könnten schon bald auch die ukrainische Grenze zu Russland mit sichern.“, sagt er.
„Wir benötigen überlegene Angriffswaffen, um jeden Militärschlag gegen die NATO glaubwürdig verhindern zu können“, argumentiert er.
Diese werden jedoch nicht direkt von Kuhn kommen.
Das Unternehmen hat zwar den Standpunkt eingenommen, dass es keine Produkte liefert, die direkt in Angriffswaffen verwendet werden, aber es hat sich gefragt, ob es dies aus heutiger Sicht überdenken muss.
„Die Produktion von Rüstungsgütern befindet sich schon von der Definition her in einer ‚Grauzone‘“, erklärt Kuhn.
Dennoch werden die Zylinderlaufbuchsen von Kuhn in großen Diesel- und Gasmotoren verbaut, unter anderem beim Kunden MTU Friedrichshafen, der deutsche Panzer herstellt.
Die hochkomplexen Komponenten für U-Boot-Masten liefert der Kunde Gabler Marine Technology auf der Basis deutscher Exportlizenzen an Werften in aller Welt. Sie versorgen U-Boote mit Luft, Daten und Energie oder werden ganz klassisch als Verlängerungsmast für das berühmte Periskop eingesetzt.
„Bisher haben wir jedoch immer deutlich Abstand davon genommen, Produkte herzustellen, die direkt in Waffen verwendet werden und deren primärer Zweck die möglichst effiziente Zerstörung von Gegenständen oder die Tötung von Menschen ist“, sagt Kuhn.
„Es ist eine Gewissensentscheidung – fragwürdig, kritikwürdig und in heutiger Zeit auch zweifelhaft. Eine Entscheidung, die wir dennoch auch in der heutigen Zeit immer noch nicht anders treffen können“, sagt er.
Quelle: https://familienunternehmer-blog.de/wollen-wir-produkte-fuer-die-ruestungsindustrie-herstellen/