Der europäische Automobilsektor steht vor einem entscheidenden Wendepunkt. Nach Einschätzung von Benjamin Krieger, Generalsekretär der CLEPA, muss Europa den laufenden Transformationsprozess dringend meistern – der Strategische Dialog mit der EU-Kommission gilt dabei als letzte Chance, den Kurs zu korrigieren.
Die CLEPA fordert die Kommission eindringlich auf, sich stärker mit den aktuellen Realitäten der Branche auseinanderzusetzen und von der Diskussion endlich zur Umsetzung zu gelangen. Nur durch koordinierte politische und industrielle Maßnahmen kann eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Industrie erhalten und Arbeitsplätze für Hunderttausende Europäer gesichert werden.
Die Bedrohungen für die Automobilzulieferer sind real und unmittelbar. Nach jüngsten Berechnungen drohen Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren zu gehen, da Fabriken schließen und Investitionen stagnieren. Der Wettbewerbsdruck nimmt zu – verursacht durch globale Handelsstörungen, Rohstoffengpässe und interne Herausforderungen wie hohe Energiepreise, steigende Arbeitskosten sowie einen regulatorischen Rahmen, der oftmals mehr Komplexität schafft als Investitionssicherheit.
Die Herausforderung ist weniger technologischer als vielmehr strategischer Natur. Batterieelektrische Fahrzeuge werden künftig eine führende Rolle spielen, doch der Wandel erfordert auch die Einbindung von Plug-in-Hybriden, effizienteren Verbrennungsmotoren, Range-Extendern, Wasserstofflösungen und kohlenstoffarmen Kraftstoffen. Ein diversifizierter technologischer Ansatz schafft die Grundlage für Innovation, Investitionen und Realisierbarkeit.
Die Automobilindustrie selbst treibt die Entwicklung von batterieelektrischen Fahrzeugen massiv voran und präsentiert regelmäßig neue Innovationen, die Europa im Wettbewerb stärken und Antworten auf die Herausforderungen moderner Mobilität geben sollen. Gleichwohl müsse die geltende CO₂-Verordnung für leichte Nutzfahrzeuge, die ein Verbot neuer Verbrennungsmotoren vorsieht, in einem sich wandelnden Kontext betrachtet werden – einem Kontext, in dem europäisches Know-how und Potenzial eine wichtige Rolle spielen.
Bislang signalisiere der Strategische Dialog vor allem Absichten, doch konkrete Maßnahmen blieben aus. Wenn die politischen Ambitionen weiterhin die praktischen Schritte übertreffen, droht die Region nicht nur ihre Dekarbonisierungsziele zu verfehlen, sondern auch ihre industrielle Basis einzubüßen. Mehrere Mitgliedstaaten haben bereits Alarm geschlagen. Selbst traditionell stark auf Elektromobilität ausgerichtete Länder beginnen, die Realität für ihre Schlüsselindustrien anzuerkennen und eine Revision des vollständigen Verbrenner-Ausstiegs zu diskutieren.
Für die anstehende CO₂-Revision fordert die CLEPA Flexibilität, industrielle Perspektiven und einen marktorientierten Ansatz. Diese sollten Teil einer umfassenden Reformagenda sein, die die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärkt – als Standort für Produktion, Forschung, Entwicklung und Investitionen – und dabei intelligente Maßnahmen zur Sicherung von Know-how und Wertschöpfung in Europa vorsieht. Reine Strafen und starre Vorgaben würden nicht die gewünschten Ergebnisse liefern; notwendig seien realistische Rahmenbedingungen, um Investitionen anzuziehen und Wachstum zu ermöglichen.
Entscheidend bleibt die enge Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen, um Ambitionen und konkrete Maßnahmen in Einklang zu bringen und so eine wettbewerbsfähige, nachhaltige Zukunft für die Automobilindustrie in Europa zu sichern. Der Strategische Dialog wird dabei als letzte Möglichkeit gesehen, um die nötigen Weichenstellungen vorzunehmen – ein Scheitern könnte den Verlust von Arbeitsplätzen und die Einschränkung der industriellen Autonomie nach sich ziehen.
Über CLEPA
CLEPA, der Europäische Verband der Automobilzulieferer mit Sitz in Brüssel, vertritt über 3.000 Unternehmen – von multinationalen Konzernen bis hin zu mittelständischen Betrieben. Sie liefern modernste Komponenten und Technologien für eine sichere, intelligente und nachhaltige Mobilität und investieren jährlich mehr als 30 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung.