Ohne Digitalisierung geht in der Gießereiwelt nichts. Wer die Megatrends Dekarbonisierung und Energieeffizienz aktiv managen will, findet in den digitalen Werkzeugen von ABP das perfekte Rüstzeug für jede Gießerei. Die Siempelkamp Giesserei GmbH in Krefeld geht mit gutem Beispiel voran und wagt zum Jahreswechsel 2021/2022 den Schritt zur ersten volldigitalisierten Schmelzanlage in Deutschland. Damit reagiert das Unternehmen auf die aktuellen Herausforderungen des Marktes: steigende Energiepreise, den Megatrend Dekarbonisierung und das Dauerthema demografischer Wandel.
ABP Induction gliederte das Projekt in drei Phasen: Gestartet wurde das Projekt mit dem Engineering und der Vorbereitung. Dazu gehörten die Analyse der Datenstruktur, die Bereitstellung von Datenmodellen und die Anbindung der Geräte. Der zweite Schritt war die Bereitstellung und Prüfung. Dazu gehörten die Installation des ABP Edge Gateway, die Implementierung der Anwendungen und die Überprüfung der Datenerfassung und -kommunikation. Schritt drei umfasste dann die eigentliche Freigabe und Genehmigung, einschließlich Benutzerschulung und Festlegung der nächsten Schritte.
"Wir beginnen buchstäblich mit der Hardware im ersten Schritt der Digitalisierung: Die Steuerungen werden umgebaut und aufgerüstet, die alte PC-Technik wird abgebaut und es werden Server eingerichtet, um die Arbeitsumgebung virtualisieren zu können", erklärt Wolfgang Baumgart von der ZORC Technology GmbH. Der Server arbeitet mit einem Service-Orchestrierungswerkzeug, das die einzelnen Aufgaben in Container verteilt. Dieser Server zapft dann über das Orchestrierungstool wie eine Datenkrake die einzelnen Datenquellen von den Öfen über die Temperaturlanzen bis hin zu den Kran- und Aggregatewagen an. "Gießereien verfügen heute praktisch überall über ein internes WiFi-Netz. Viele Sensoren sind daher über WiFi angebunden und werden dann als IoT-Geräte integriert", erklärt Wolfgang Baumgart.
Das ZORC setzt dazu Mikrocontroller ein, um Sensoren oder SPS-Systeme kostengünstig anzuschließen. "Das funktioniert auch bei älteren Anlagen gut: Auch für diese gibt es gute Lösungen, um sie zu digitalisieren - und das zu vernünftigen Preisen. Bei der Digitalisierung geht keine große Maschine verloren. Man kann bestehende Systeme mit verfügbarer Technik zu sehr günstigen Preisen in die Moderne bringen." So erhält man also den Wert der Anlage - eine nachhaltige Entscheidung, wenn man große mechanische Anlagen behalten und nachrüsten kann ("Retrofit").
Der Vorteil, den er sieht: Routineaufgaben, insbesondere bei Dokumentationsaufgaben, werden durch das System automatisiert - diese einfache Arbeit entfällt, so dass sich der Anwender auf die eigentliche Herausforderung konzentrieren kann. Aspekte der Arbeitsorganisation finden sich also auch in den Veränderungsprozessen wieder. "Hier ein weiteres Beispiel aus der Praxis: In vielen Fällen sind die Mitarbeiter noch klassisch "zettelorientiert" - alles wird ausgedruckt und handgeschrieben. Dass diese gewohnte Struktur komplett verschwinden und durch einen digitalen Prozess ersetzt werden soll, muss sorgfältig kommuniziert werden", sagt Wolfgang Baumgart.
Dabei sei es hilfreich, dass die Mitarbeiter das neue Kommunikationsmedium bereits aus ihrem privaten Alltag kennen: "Jeder kennt ein Handy und hat eines in der Tasche. Es ist das Medium der Wahl, um sich schnell zu informieren, vor allem, wenn man in den Arbeitsprozessen feststeckt. Denken Sie zum Beispiel an den Arbeitsschritt des Fiebermessens: Der Mitarbeiter nimmt sein Handy, prüft die Angaben und kann es wieder weglegen. Das Handy ist also über Unternehmensanwendungen in den Arbeitsprozess integriert - die Gewöhnung daran ist ein Prozess."
Ein zentraler Bestandteil einer erfolgreichen Digitalisierung ist die Möglichkeit, alle Produktionsdaten zuzuordnen. "Dafür braucht man ein Workflow-Management, um so etwas in einem Geschäftsprozess beschreiben zu können. Wir verwenden dafür eine eigene Sprache - die "Business Process Model Notation". Die einzelnen Schritte des Produktionsprozesses werden von der Software grafisch dargestellt und in einzelne Schritte heruntergebrochen. Sie können sich diesen Prozessablauf wie folgt vorstellen: "Das System startet einen Schmelzprozess, aus dem Aufgaben für verschiedene Arbeitsplätze generiert werden, z.B. das Chargieren für den Kranführer, das Vorbereiten von Zugaben für den Ofenführer oder das Abfunken von Spektrometerproben im Labor.
Entlang dieses Prozesses werden Daten gesammelt, die den "Produktionsbaum" bilden. Dieser Baum kann direkt zur Erstellung digitaler Zwillinge oder zum Training künstlicher Intelligenz (KI) verwendet werden. Strukturierte Daten dieser Art sind also viel wertvoller als die unsortierten Datensätze klassischer "Big Data"-Systeme.
Zusammengefasst bedeutet dies: Alle Daten werden gesammelt und ausgewertet, stehen zusammengeführt dem Geschäftsmodell zur Verfügung, und der einzelne Mitarbeiter konzentriert sich nur noch auf seine Aufgabe. Das Workflow-Management-System hat also den Vorteil, dass der Mitarbeiter an den einzelnen Arbeitsplätzen immer nur die Informationen auf seinem Bildschirm oder Tablet bekommt, die für ihn relevant sind, damit er seine Aufgabe erledigen kann."
Die Manager wiederum können dann auf dem Dashboard sehen, wie der Prozess insgesamt abläuft. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass von außen noch in den eigentlichen Arbeitsprozess eingegriffen werden kann. "Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, können Aktionen sofort ausgelöst werden, was den Prozess insgesamt schneller und zuverlässiger macht", ergänzt Markus Fournell.
Schließlich wird ein Produktionsbaum erstellt, der alle relevanten Informationen enthält. Die Äste werden von allen Rohstoffen und allen Messwerten, allen Energiewerten und Zeiten gebildet; sie spiegeln also als Prozess wider, was letztlich produziert wird: Das fertige Gussteil als Stamm des Baumes. Die Wurzeln des Produktionsbaums liefert dann im übertragenen Sinne die Qualitätsabteilung, mit Daten zu Festigkeitsergebnissen, Gefüge, Dimension und Oberfläche; im Grunde alles, was der Kunde in der Enddokumentation erhalten möchte. "Diese Bäume bieten zwei weitere wichtige Vorteile: Als Anlagenbetreiber hat man alle Informationen für die Abrechnung zusammen, von den Kosten bis zum Materialverbrauch.
Und: Mit den Bäumen lassen sich digitale Zwillinge trainieren, mit denen man dann Produktionsprozesse simulieren und Varianten testen kann. "Diese digitalen Zwillinge lassen sich sehr gut trainieren, insbesondere für metallurgische Prozesse - ein wichtiger Faktor für die Prozessoptimierung im Betrieb."
Bei Siempelkamp laufen nun alle Prozesse zentral in einem System zusammen: "Die Kunst ist es, die einzelnen Daten so zusammenzuführen, dass es konvergente Daten gibt, die aus den unterschiedlichsten Bereichen und Teilsystemen kommen, um sie interpretieren und nutzen zu können", sagt Dr. Georg Geier von Siempelkamp.
Diese Verknüpfung sei nicht trivial: "Wir arbeiten in gewachsenen Strukturen mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, Hard- und Softwarearchitekturen, und das muss integriert werden. Hier kommen die Partner ABP und ZORC ins Spiel, ohne die wir das nicht schaffen würden. Wir brauchen sie an unserer Seite, denn ich bin mir sicher: Wenn wir unsere Prozesse und Geschäftsmodelle nicht digitalisieren, werden wir in Zukunft keinen akzeptablen ROI erwirtschaften können", sagt Dr. Georg Geier. Den ausführlichen Bericht über die Umstellung finden Sie in den ABP News 11.