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Tradition und Transformation – wie JOEST die Gießereiindustrie in die Zukunft führt

Dr. Markus Wirtz über Wachstum, Globalisierung und Technologieführerschaft

Lesedauer: min | Bildquelle: JOEST Group
Von: Thomas Fritsch, Chief Editor
Von: Dr. Marcus Wirtz

Die Gießereiindustrie steht im Zuge der weltweiten industriellen Transformation vor großen Herausforderungen. Hinzu kommen geopolitische Veränderungen, der Strukturwandel in der Automobilindustrie, wachsende Anforderungen an Nachhaltigkeit und CO₂-Reduktion sowie hohe Energiepreise. Dies fordert Unternehmen in bisher nicht gekanntem Ausmaß heraus. Gefragt sind intelligente Prozesse, effiziente Technologien und Partner, die den Transformationsprozess aktiv unterstützen.

 

JOEST group aus Dülmen ist seit 105 Jahren in diesem industriellen Umfeld zuhause. Mit vibrationsmechanischer Förder- und Aufbereitungstechnik, Kühl- und Entsandungssystemen, Sandregenerierung, Chargiertechnik und kompletten Gattierungs- und Beschickungssystemen hat sich das inhabergeführte Familienunternehmen als führender Lösungsanbieter für Gießereien etabliert. Über 1.100 Mitarbeitende – davon rund 450 am Stammsitz in Dülmen – entwickeln weltweit maßgeschneiderte Systeme, die weit über Standardlösungen hinausgehen.

Wir sprechen mit einem der geschäftsführenden Gesellschafter, Dr. Marcus Wirtz über die besonderen Herausforderungen der Gießereibranche, die Erwartungen internationaler Kunden und die Frage, wie JOEST seine technische Expertise und globale Präsenz einsetzt, um die Industrie fit für die Zukunft zu machen.

105 Jahre German Engineering

FP: Herr Dr. Wirtz, JOEST besteht seit über 105 Jahren in Dülmen. Welche Bedeutung hat dieser Standort heute noch für Ihr Unternehmen?

Dr. Marcus Wirtz (JOEST Group): Wir sind sehr stolz auf unsere Geschichte – aber entscheidend sind die letzten 25 Jahre, die von starker Weiterentwicklung und internationaler Expansion geprägt waren. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher und geopolitischer Herausforderungen schauen wir aber nach vorne: auf neue Technologien, Digitalisierung, Softwarelösungen und effiziente Gesamtsysteme für unsere Kunden.

FP: Sie haben weltweit zwölf Tochtergesellschaften. Welche Rolle spielt da noch die „deutsche Ingenieurskunst“?

Dr. Marcus Wirtz: Eine sehr große. Wir pflegen bewusst das Prinzip German Engineering, auch wenn unsere Tochtergesellschaften eigenständig arbeiten. Unsere größte Tochter sitzt in Australien – dort konzentrieren wir uns ausschließlich auf Mining & Minerals. In den USA, einem unserer größten Wachstumsmärkte, war ich selbst viele Jahre Geschäftsführer. Nach der Phase des Offshorings ist dort vor rund zehn Jahren das Reshoring gestartet, wodurch die Gießereitechnik wieder an Bedeutung gewonnen hat. Viele Betriebe sind alt, die Modernisierung mit moderner Technik bietet enormes Potenzial.

FP: Wie wichtig bleibt trotz Globalisierung die regionale Verwurzelung in Dülmen?

Dr. Marcus Wirtz: Sehr wichtig. Wir haben hier eine hervorragende Infrastruktur, mit hoher Fertigungstiefe, attraktivem Lebensumfeld, Nähe zu Universitäten und ein starkes Ausbildungsprogramm mit sieben Berufsbildern. Zwischen 30 und 40 Auszubildende gehören fest zu unserem Standort – viele übernehmen wir später und bieten ein duales oder berufsbegleitendes Studium an. Das ist ein zentraler Teil unserer Unternehmenskultur.

FP: Wie unterscheiden sich die Märkte in Europa, den USA und Asien?

Dr. Marcus Wirtz: In Europa ist Energieeffizienz das große Thema – neue Produkte, weniger Verbrennermotoren, höhere Automatisierung und Digitalisierung. In den USA spielt der klassische Automobilbereich weiterhin eine bedeutende Rolle, auch mit Verbrennermotoren. Mexiko wächst stark, dort investieren viele Amerikaner und Japaner. Asien hat immer schon sehr hohe Qualitäts- und Reaktionsanforderungen – dort punkten wir mit unseren eigenen Engineering- und Service-Teams vor Ort.

FP: JOEST gilt als Technologieführer. Was sind Ihre technischen Alleinstellungsmerkmale?

Dr. Marcus Wirtz: Viele heute gängige Maschinen wurden ursprünglich bei JOEST entwickelt. Unser Anspruch ist Technologieführerschaft. Wir bieten Einzelmaschinen  und Gesamtlösungen – von der 3D-Planung und -Erfassung bis hin zu maßgeschneiderten Anlagen mit Automatisierung und Service.
Unsere Kernkompetenz bleibt die Vibrationstechnik, aber wir haben gezielt durch Akquisitionen erweitert – etwa mit der Hebe-Kipptechnik von Dieterle oder Magnet- und Scharniergurtförderern von Dr. Gössling, die heute Teil der JOEST group sind. Damit realisieren wir z.B. komplette Ofenbeschickungssysteme und Gattierungsanlagen, machen Teileverfolgung mit RFD Chips, Automatisierung und Sicherheitslösungen.

FP: Wie stark prägen Digitalisierung und künstliche Intelligenz Ihre Arbeit?

Dr. Marcus Wirtz: Sehr stark. Wir entwickeln unsere Antriebstechnik selbst und statten sie zunehmend mit Intelligenz aus – für Predictive und Preventive Maintenance. KI wird dabei ein Hilfsmittel, um die Fülle an Messdaten in Kundennutzen umzuwandeln und z.B die Erfahrungen unserer Techniker und Ingenieure zu ergänzen. Das Wissen bleibt im Unternehmen, wird aber durch digitale Systeme noch schneller und präziser nutzbar.

FP: Wie gehen Sie mit den globalen Herausforderungen um – Transformation, geopolitische Spannungen, neue Märkte?

Dr. Marcus Wirtz: Wir setzen auf die Bündelung von Kompetenzen und bekennen uns klar zum Standort Deutschland. Während Corona haben wir massiv in den Hauptstandort in Dülmen investiert, etwa in eine Edelstahlfertigung, die wohl einzigartig in Europa ist. Wir produzieren heute fast CO₂-neutral – dank Photovoltaik und Geothermie.
Unsere Philosophie: Alles, was Qualität betrifft, bleibt in eigener Hand. Gleichzeitig bauen wir weltweit Kompetenzzentren auf – in den USA, Asien, Indien und Südamerika –, um nah an den Kunden zu bleiben. Ein wachsender und hochinteressanter Markt ist Indien, wo wir eine eigene Tochtergesellschaft haben, die erfolgreich für den lokalen Markt produziert – insbesondere für Gießereien. Die Qualitätsanforderungen unterscheiden sich, aber der Markt entwickelt sich dynamisch. Indien wird in den kommenden Jahren sicher eine wichtige Rolle spielen.


FP: Was sind die größten Herausforderungen und Chancen für die Zukunft – und was ist Ihre Vision für JOEST?

Dr. Marcus Wirtz: Unsere Welt wird in den nächsten 10 bis 20 Jahren viel dynamischer und unberechenbarer sein. Das ist eine Herausforderung – aber auch eine Chance. Wir haben ein starkes, generationenübergreifendes Führungsteam und sind technologisch wie digital hervorragend aufgestellt.
Unsere Vision: JOEST bleibt Maschinenbauer, wird aber noch intelligenter. Wir integrieren mehr digitale Lösungen, Automatisierung und Software in unsere Anlagen und Einzelmaschinen – und bleiben dabei flexibel und kundennah auf allen Märkten.

FP: Wie beeinflussen US-Handelspolitik und Strafzölle Ihr Geschäft?

Dr. Marcus Wirtz: Als deutsch-amerikanischer Unternehmer kenne ich beide Seiten gut. Natürlich spüren wir die Zölle – aber wir sind flexibel aufgestellt. Eine vollständige Verlagerung der Produktion wäre riskant, da wir über 180 Produkttypen fertigen, meist kundenspezifisch. Qualität und technische Sicherheit stehen über allem. Freihandel im klassischen Sinn wird wohl nicht zurückkehren. Die USA setzen dauerhaft auf nationale Prioritäten

FP: Sie haben sehr klare Worte zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage gefunden. Was wünschen Sie sich von der deutschen Industrie?

Dr. Marcus Wirtz: Mehr Mut und weniger Selbstkritik. Wir sind Weltspitze in vielen Technologien – Maschinenbau, Foundry, Recycling, Bergbau –, aber wir müssen das auch selbstbewusster nach außen tragen.
Deutschland braucht wieder Geschwindigkeit, Innovationsgeist und den Willen und Mut, Dinge umzusetzen. Wenn wir uns auf unserer Vergangenheit ausruhen, verlieren wir. Unternehmertum heißt Risiko – und Verantwortung.

FP: Dr. Marcus Wirtz vielen Dank für die klare Sicht der Dinge, Ihren globalen Weitblick und das Bekenntnis zum Standort Deutschland. Mit Digitalisierung, nachhaltiger Produktion und einem selbstbewussten Maschinenbau wird die JOEST group auch in Zukunft international Maßstäbe setzen.

Über JOEST group:

Mit 12 Tochtergesellschaften auf vier Kontinenten unter der Geschäftsführung von Alexander Moormann und Dr. Marcus Wirtz ist die JOEST group global vernetzt und gleichzeitig nah an den Kunden. Seit 2001 wurde die internationale Präsenz gezielt ausgebaut – von Australien über Nord- und Südamerika bis nach Asien und Afrika. Mit GOESSLING (seit 2019) und MOGENSEN (seit 2024) wird das Portfolio um spezialisierte Lösungen in der Förder- und Siebtechnik erweitert. In der Giessereitechnik hat JOEST immer schon eine weltweit führende Rolle eingenommen mit vielen Neuentwicklungen und sich vom Anbieter einzelner Maschinen zum Gesamtlösungsanbieter entwickelt.

Foundry-Planet Interview mit Dr. Marcus Wirtz, geschäftsführender Gesellschafter (Managing Partner) der JOEST Group
Geführt von Thomas Fritsch, Chefredakteur Foundry-Planet

Firmeninfo

JÖST GmbH + Co. KG

Gewerbestr. 28-32
48249 Dülmen

Telefon: 02590 98-0

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