Strassacker, eine der ältesten und größten Kunstgießereien Europas, modernisiert den Kunstguss mit 3D-Druck von voxeljet. Die Drucktechnologie kommt in der Herstellung der Gussmodelle zum Einsatz und erhöht die Gestaltungsfreiheit der Künstler. Bisher nicht mit klassischen Formtechniken realisierbare Kunstwerke können so direkt als Gussrohling gedruckt werden.
Kennen Sie den Bambi? Den deutschen Medien- und Fernsehpreis, der jährlich an Menschen mit Visionen und für herausragende Leistungen verliehen wird? Zu den Preisträgern zählen Weltstars wie Christoph Waltz, Samuel L. Jackson und Kate Winslet. Weit weniger bekannt ist aber, wer die begehrten Bronze-Rehe herstellt: das Familienunternehmen Strassacker aus Süßen bei Stuttgart. Seit der Gründung im Jahre 1919 hat sich das Unternehmen von der Herstellung von Spätzlemaschinen und Gebrauchsgegenständen über die Anfertigung zahlreicher Kunstobjekte weiterentwickelt. Besonders in der Kunstbranche hat sich das Unternehmen einen Namen gemacht und zählt mittlerweile als fest etablierte Größe. Die weltweit renommiertesten zeitgenössischen Künstler sind hier Kunde und bauen auf die fachlichen Kompetenzen Strassackers.
DIGITALE MODELLERSTELLUNG BEI STRASSACKER
Während traditionelle Herstellungsmethoden das bisherige Erstellen von Kunstwerken prägten, bietet sich der Kunst heute eine neue Möglichkeit der Formgestaltung. Eine, die die Grenzen des Machbaren deutlich verschiebt: der 3D-Druck. So können mittels industrieller 3D-Drucksysteme Kunststoffmodelle aus Acrylglas (Polymethylmethacrylat, PMMA) oder Gussformen aus Quarzsand gedruckt werden. Diese werden anschließend von Gießern wie konventionelle Wachslinge oder Sandgussformen gehandhabt. Das Potenzial des 3D-Drucks hat Strassacker schon früh erkannt. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet das Unternehmen bereits mit additiv gedruckten Rohlingen – unter anderem mit den Kunststoff-Druckmodellen von voxeljet. Den breiten Erfahrungsschatz, den sich das Familienunternehmen in dieser Zeit aufbauen konnte, teilt es mit Ihren Kunden.
So können bei Strassacker entweder produktionsfertige CAD-Datensätze eingeschickt werden, die dann im hauseigenen Digitalatelier aufbereitet werden oder Kunden kommen mit ihren Projektplänen direkt ins Haus und lassen sich von Spezialisten bei der 3D-Modellage beraten.
„Den Ideen sind kaum noch Grenzen gesetzt, aber diese muss man immer noch selbst haben“, sagt Peter Mühlhäußer, Produktlinienverantwortlicher der Manufaktur Strassacker. „Genauso wie man wissen muss, wo der Einsatz der Technologie Sinn ergibt und wo nicht. Hier sind unsere Techniker, Konstrukteure und 3D-Modelleure die richtigen Ansprechpartner.
Strassacker kann seinen Kunden sowohl manuelle als auch digitale Herstellungsverfahren anbieten. Im Bedarfsfall lassen sich sogar beide miteinander kombinieren.
Einige Beispiele hierfür sind:
„Wachsende Steine“ von Timm Ulrichs. Ein durch die Natur geformter Stein wurde als Ausgangsmodel bei Strassacker 3D-gescannt, digitalisiert, skaliert und anschließend von voxeljet in mehreren Teilen gedruckt. Die größeren Steine wurden aus mehreren einzelnen PMMA-Druckteilen manuell zusammengefügt und von Hand überarbeitet. Die PMMA-Rohlinge wurden wie Wachs-Rohlinge vergossen und anschließend von Hand ziseliert. Zum Finish wurden die Bronzegüsse wie das Naturmodel mit Airbrush und von Hand bemalt.
Ein anderes Projekt sind die Bronzerekonstruktionen „Der Faustkämpfer vom Quirinal“ und „Der Thermenherrscher“ von Professor Vinzenz Brinkmann, die als Original zwischen dem 4. und 1. Jahrhundert vor Christus von Hand hergestellt und 1885 auf dem Quirinal in Rom wiederentdeckt wurden. Die Originalskulpturen wurden eingescannt, digitalisiert, und als PMMA Rohlinge von voxeljet gedruckt. Im Anschluss wurden die Modelle bei Strassacker vergossen, von Hand ziseliert, teils auch restauriert und patiniert.
Zwei weitere, aktuelle Beispiele der Zusammenarbeit von Strassacker und voxeljet sind die Skulptur „KAS“, ein Eigenprojekt des Künstlers Peter Simon Mühlhäußer, und der Hocker „Infiniala“ von Designer Sergej Ehret. KAS steht für Kinetic Assembly Structure und spiegelt die Materialisierung eines digitalen Gedankenganges wider. Beim näheren Beschauen der zahlreichen Konturen des Hockers stellt der Betrachter fest, dass die Linien immer eine Endlosschleife bilden. KAS und Infiniala zeigen die einzigartigen Möglichkeiten in der Umsetzung von hochkomplexen, digital erstellten Kunstwerken.
Die aufwendigen verschachtelten Geometrien können nur durch den Einsatz von additiven Verfahren, wie dem Binder-Jetting von voxeljet, realisiert werden. Die Herstellung eines Gussrohlings mit herkömmlichen Abformungsverfahren wäre unmöglich.
HERSTELLUNG EINES 3D-ROHLINGS UND SEINE VORTEILE
Die Firma Strassacker nutzt den 3D-Druckservice von voxeljet, um unter anderem Positivmodelle für den Bronzeguss werkzeuglos anzufertigen. Dazu schickt sie den erstellten 3D-Datensatz eines Kunstwerkes in das voxeljet-Dienstleistungszentrum nach Friedberg. Hier werden die CAD-Daten in das 3D-Drucksystem VX1000 gespeist. Im nun folgenden Binder-Jetting Verfahren fährt ein Beschichter über die 1.000 x 600 x 500 Millimeter große Bauplattform, und breitet eine 150 Mikrometer dünne Schicht des Kunststoffs Polymethylmethacrylat (PMMA) aus. Eine zweite mobile Einheit, der Druckkopf, verklebt das PMMA mit einem Binder überall dort, wo das Kunstwerk entstehen soll. Die Bauplattform senkt sich nach jedem Ablauf dieser beiden Schritte um eine Schichtstärke und Beschichter und Druckkopf verarbeiten die nächste Schicht. So entsteht das Modell Schicht für Schicht mit einer Auflösung von bis zu 600 dpi.
Ist der Druck fertig, nehmen voxeljet-Mitarbeiter das Modell aus dem Drucker, entfernen ungebundenes Kunststoffpulver, infiltrieren die Bauteile mit Wachs und schicken das Positivmodell an die Firma Strassacker. Bereits drei bis fünf Tage nach Auftragseingang liegt das Modell in der Gießerei vor.
Anschließend kann der Gussprozess bei Strassacker seinen geregelten Lauf nehmen. Mit einem bedeutenden Vorteil: Es muss keine Silikon-Negativ-Form erstellt werden. So kann der angelieferte PMMA-Rohling direkt in Keramik getaucht und bei 700 Grad Celsius im Ofen ausgebrannt werden. Das PMMA brennt rückstandslos aus und zurück bleibt die reine Keramikform, in die anschließend das flüssige Metall gegossen werden kann.
Dieser Prozess eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Formgebung. Die Herstellung von Modellen mit komplexen Geometrien, die früher undenkbar gewesen wären, ist nun zuverlässig und zeitnah möglich. Sogar das Angusssystem kann direkt mitgedruckt werden. Das spart Zeit und liefert auch bei höheren Stückzahlen konstante Gussergebnisse.
FEINARBEIT: ZISELIEREN UND PATINIEREN
Ist der Gussprozess abgeschlossen, beginnt die Arbeit der Ziseleure und Patineure. Ein Service, den Strassacker-Kunden besonders schätzen. In intensiver Zusammenarbeit mit dem Künstler wird hier gemeinsam das endgültige Erscheinungsbild eines Werks gestaltet. Mit eigens hergestellten Punzen arbeiten die Ziseleure selbst feinste Strukturen präzise heraus. Mehrteilig gegossene Stücke werden durch ein speziell entwickeltes Schweißverfahren so zusammengefügt, dass am vollendeten Kunstwerk keine Schweißnähte mehr erkennbar sind. Auch der Bambi bekommt hier erst seine hochglanzpolierte Oberfläche. Zu guter Letzt geben die Patineure den Werken ihre Farbe, in dem sie den natürlichen Vorgang der Oxidation durch chemische Reaktionen vorwegnehmen. Auch hier ist höchstes handwerkliches Können notwendig, um geplante Farbnuancen präzise zu treffen.
DIE ZUKUNFT IN DER BILDHAUEREI
Wie die Zukunft in der Bildhauerei genau aussieht, kann niemand sagen. Doch ein Wandel ist klar erkennbar. Schon jetzt arbeitet eine bedeutende Zahl aufgeschlossener Künstler mit neuen und digitalen Technologien. Einen großen Vorteil bietet dieser Wandel insbesondere bei der Konzeptionierung neuer Kunstwerke. So lassen sich manche Entwürfe nur mit dem Computer berechnen und fortführen, da manuelle Formgebungstechniken an Ihre Grenzen stoßen. Innovative Künstler streben kontinuierlich danach, Grenzen zu verschieben und Neues zu entwickeln. Der Weg zu deren Vision ist hierbei zweitrangig. Entscheidend ist die Umsetzung in die Realität. Hier gibt der 3D-Druck Künstlern die Möglichkeit zu fantastischen Neuerungen. Aus diesem Grund ist der 3D-Druck im Repertoire skulpturaler Künstler bereits fest etabliert und wird noch weiter an Marktanteilen gewinnen.
Ferner denkbar wäre auch, dass bald schon die Modell-Vorabnahme über VR-Brillen stattfinden könnte. So könnten Kunden das fertige Werk in Größe, Farbe und Form im dreidimensionalen Raum betrachten, bevor es tatsächlich in die Produktion geht. Peter Mühlhäußer ist sich sicher: „Dies wäre eine praktische Erleichterung, die viele Probleme im Voraus beheben könnte. Es erweitert den dynamisch-kreativen Dialog zwischen Künstler und Kunsthandwerker.“ Bis dahin bleibt abzuwarten, was in naher Zukunft an neuen einzigartigen, 3D gedruckten Projekten bei Strassacker mit Hilfe des Binder Jettings von voxeljet entsteht.