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Frauen im Ingenieurwesen müssen immer wieder „beweisen“, dass sie gut sind

Fenja Feitsch ist Vorsitzende der VDI Young Engineers. Im Interview mit Foundry-Planet erzählt sie, was das Spannende an ihrer Position ist und wie sie zum VDI gefunden hat. Auch geht es um die Wahrnehmung der Frau im Ingenieurwesen sowie um neue Anforderungen, die heute an den Ingenieursberuf gestellt werden. Zum Schluss gibt Fenja Feitsch Frauen noch Tipps mit auf den Weg, um sich in dieser männerdominierten Branche zu behaupten.

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International Editor Diana, Engelmann

Foundry-Planet: Frau Feitsch, als Vorsitzende der VDI Young Engineers sind Sie ehrenamtlich für den VDI aktiv. Was ist das Spannende an Ihrer Tätigkeit? 

Fenja Feitsch: Das Spannende ist, dass ich in dieser Position in so viele Richtungen agieren kann und auf so vielen Ebenen mit den unterschiedlichsten Menschen zusammenarbeite. Auf der einen Seite vertrete ich die Interessen der VDI Young Engineers. Gleichzeitig bin die Schnittstelle zum Hauptverein, wo ich an den Sitzungen und Versammlungen teilnehme. In den letzten Jahren habe ich mich dafür engagiert, uns als VDI Young Engineers in den unterschiedlichen Gremien des Vereins zu platzieren. Denn ich finde es wichtig, dass dort auch junge Menschen vertreten sind, die ihre Sicht der Dinge vertreten – gerade, wenn es um Zukunftsthemen geht.

Foundry-Planet: Wie kam die Zusammenarbeit mit dem VDI zustande?

Fenja Feitsch: Mein Weg zum VDI war ganz klassisch. Ich habe damals in Stuttgart studiert und ein Bekannter von mir – der damalige Netzwerksprecher vom Stuttgarter Team – fragte mich, ob ich nicht Lust hätte zum Stammtisch der VDI Young Engineers zu kommen. Kurze Zeit später bin ich dem VDI beigetreten und nahm an verschiedenen Veranstaltungen teil. So kam ich mit dem Bundesvorstand des VDI in Kontakt, der mir den Posten als Vorstandsvorsitzende vorschlug. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon viel Expertise und Erfahrungen in anderen Vereinen gesammelt. Kurze Zeit später ließ ich mich zur Wahl aufstellen und wurde zur Vorstandsvorsitzenden gewählt. Das war im Juni 2021.

„Eine Frau im Ingenieurwesen rückt automatisch in den Mittelpunkt“, – Fenja Feitsch

Foundry-Planet: Im Ingenieurwesen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Veränderungen gab es früher maximal in Dekaden. Wie ist der Stand der Frauen in Ingenieurberufen 2023?  

Fenja Feitsch: Ich muss sagen, dass im Ehrenamt beim VDI die Frauenquote höher ist als in Unternehmen. Wenn man heutzutage als Frau einem Ingenieurberuf nachgeht, wird man meinen Erfahrungen nach, nach wie vor als sonderbar wahrgenommen. Frauen im Ingenieurwesen müssen einerseits immer wieder „beweisen“, dass sie gut sind. Andererseits stehen sie als „Vorzeigefrau“ automatisch im Rampenlicht. Und genau das ist ein Punkt, der viele Frauen vom Ingenieurwesen abschreckt – obwohl sie sich dafür interessieren. Wie viele der Männer auch, möchten diese Frauen lieber im Hintergrund bleiben und nicht vor laufenden Kameras sprechen oder in der Zeitung stehen, sondern einfach nur ihrer Ingenieurstätigkeit nachgehen.

Foundry-Planet: Welche Chancen sehen Sie für Frauen in MINT-Berufen?

Fenja Feitsch: Ich finde, dass die Zukunftsaussichten für Frauen in MINT-Berufen super sind!

Frauen bereichern den Ingenieurberuf enorm, da viele von ihnen über gute kommunikative Fähigkeiten verfügen und die technische Welt der „normalen“ Welt näherbringen können. Gerade in der Vermittlung von Wissen empfinde ich Frauen als besonders stark, da sie komplexe technische Inhalte leicht verständlich erklären können. Eine Kollegin von mir stellte kürzlich „Die Bahnwelt“ vor. Der Balanceakt dabei ist nicht zu technisch zu werden und trotzdem einen spannenden Vortrag zu halten, der den Zuhörern das Thema näherbringt. Nicht, dass die Männer das nicht auch könnten – doch ich finde, dass Frauen in diesem Punkt sehr viel Empathie und Feingefühl mitbringen und deshalb für den Ingenieurberuf eine große Bereicherung sind.

„Ich finde es sehr wichtig, für sich selbst und seine Überzeugungen einzustehen“ – Fenja Feitsch

Foundry-Planet: Worin sehen Sie die größten Hürden und Herausforderungen?

Fenja Feitsch: Frauen im Ingenieurswesen werden meiner Meinung nach nicht immer ernst genommen. Auch kommt es zu sexistischen Witzen, was mir persönlich schon passiert ist. An dieser Stelle ist es wichtig, die Dinge klarzustellen und nicht so stehenzulassen, weil man sich nicht traut etwas zu sagen. Ich würde nicht sagen, dass man als Frau für die ganze Frauenwelt einstehen muss – denn das erzeugt einen immensen Druck. Doch ich finde es sehr wichtig, für sich selbst und seine Überzeugungen einzustehen.

Foundry-Planet: Sie haben bereits für namhafte Unternehmen wie die Daimler Truck AG und Mercedes-Benz gearbeitet. Welche Schritte waren für Ihre Karriere am prägendsten und wie wertvoll ist die ehrenamtliche Tätigkeit beim VDI?

Fenja Feitsch: Durch mein langjähriges ehrenamtliches Engagement wurde ich optimal auf die Tätigkeit beim VDI vorbereitet. Dadurch sammelte ich viele wertvolle Erfahrungen, beispielsweise, wie man Gruppen leitet und große Events organisiert. Schon mit 18 Jahren wirkte ich an der Organisation einer Veranstaltung für 1.500 Menschen mit. Doch auch mein Studium bereitete mich auf das Ehrenamt vor, gerade im Hinblick auf die Einhaltung von Deadlines und Projektmanagement. Meine berufliche Karriere lehrte mich wiederum, dass Daily Business und Routineaufgaben auch im Ehrenamt nicht zu unterschätzen sind.

Gab es Momente, wo Sie an Ihre Grenzen gekommen sind?

Foundry-Planet: Gab es Momente, wo Sie an Ihre Grenzen gekommen sind oder eine besonders große Hürde meistern mussten? (Wie haben Sie das gelöst?)

Fenja Feitsch: Ja, die gab es. Doch es war nicht die Vereinbarkeit von Beruf, dualem Studium und Ehrenamt, was mich an meine Grenzen gebracht hat. Es ging dabei eher um die Grundsatzfrage, inwieweit mein Arbeitgeber es zulässt, dass ich mich öffentlich positionieren kann – gerade bei technischen Themen. Auch ging es um das Thema Flexibilität am Arbeitsplatz. Ich bin sehr froh, dass mein derzeitiger Arbeitgeber mir ermöglicht, dort zu arbeiten, wo ich gerade bin. Durch diese Flexibilität kann ich beides – Hauptberuf (Praktikum), Studium und Ehrenamt – unter einen Hut bringen.

Foundry-Planet: Trotz Gender-Gleichstellungsmaßnahmen ist die Trennung von männlich und weiblich in den Köpfen noch sehr verankert. Was müsste sich ändern, damit mehr Frauen ins Ingenieurwesen gehen?

Fenja Feitsch: Das fängt schon ganz früh an, nämlich dass Mädchen nachgesagt wird, lieber mit Puppen zu spielen und Jungs mit Spielzeugautos. Deshalb finde ich es wichtig, dass Kinder in einem Umfeld aufwachsen, in dem solche „vermeintlichen Grenzen“ nicht gezogen werden, sondern vermittelt wird: Folge deinen Interessen, mach das, worauf du Lust hast. Ich hatte großes Glück, dass meine Eltern so offen waren und mir das ermöglichten. Anders sah es in der Schule aus, wo mein Physiklehrer meinte: „So gut wie in den anderen Fächern bist du ja in Physik nicht.“ Und das, obwohl ich eine 2 in Physik hatte! Der Vorfall nahm mir die ganze Freude am Fach. So begann ich als Frühstudium neben der Schule Politik zu studieren, mit dem Wunsch mich für Klima und Umwelt zu engagieren. Während des Studiums merkte ich jedoch, dass mich die technische Seite mehr interessierte, weshalb ich dann nach dem Abitur zu Wirtschaftsingenieurwesen wechselte. Wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich direkt Maschinenbau oder Elektrotechnik studieren.

„Junge Menschen sollten darin bestärkt werden, dass sie das Ingenieurstudium schaffen“ – Fenja Feitsch

Foundry-Planet: Apropos Studium: Ingenieurstudiengänge zählen in Deutschland immer noch zu den schwersten. Sehen Sie das auch so? Was müsste sich hier ändern? 

Fenja Feitsch: Das kann ich nur bestätigen. Männer tendieren eher dazu, auch „schwierige“ Studiengänge trotzdem „zu versuchen“, während Frauen sich häufig unterschätzen und es dann lieber ganz bleiben lassen – obwohl das Interesse da ist. Ich finde, dass sich das Image von Ingenieursstudiengängen von Grund auf ändern muss: Es muss positiver werden. Es kann nicht sein, dass diese Studiengänge immer noch als unbezwingbar gelten. Junge Menschen sollten darin bestärkt werden, dass sie das Ingenieurstudium schaffen. Dennoch sind diese Studiengänge noch immer die wichtigste Grundlage für die ingenieurstechnische Laufbahn.

Was der Ingenieur / die Ingenieurin von morgen mitbringen sollte

Foundry-Planet: Was sollte denn der Ingenieur / die Ingenieurin von morgen mitbringen?

Fenja Feitsch: Flexibilität, d. h. schnelles Umdenken und Einlernen in neue Themen, sowie eine gewisse Resilienz. Die Anforderungen Ingenieure*innen befinden sich derzeit stark im Wandel. Jahrzehntelang stand der Verbrennungsmotor im Fokus – heute sind wir mit immer neuen Entwicklungen und Technologien konfrontiert, die Flexibilität und permanentes Umdenken fordern. Im Ingenieursberuf geht es nicht darum, alles im Detail wissen zu müssen, sondern sich schnell in neue Themenbereiche einarbeiten zu können und Lösungen zu finden.

Foundry-Planet: Frage zum Schluss: Welchen Tipp geben Sie Frauen mit auf den Weg, um sich in dieser männerdominierten Branche zu behaupten?

Fenja Feitsch: Wie bei anderen Personen auch, finde ich, dass Frauen nicht zu rebellisch sein, aber auch nicht alles einstecken und ruhig auch Contra geben sollten. Mein Tipp ist deshalb, einen Mittelweg aus beidem zu wählen. Trotzdem müssen Frauen – so wie ich es erlebe - ihre Fachkompetenz härter unter Beweis stellen als Männer. Doch man darf sich davon nicht herunterziehen lassen.

Foundry-Planet: Welche Projekte sind zukünftig mit dem VDI geplant?

Fenja Feitsch: Unser letztes Projekt war ein online Exit-Game, wo es darum ging, wie Ingenieure*innen in den unterschiedlichsten Bereichen dazu beitragen können, den Klimawandel aufzuhalten. In unseren aktuellen Projekten geht es um die Berufsauswahl und Ausbildung im Ingenieurswesen. Wir möchten die positiven Aspekte des Berufsbilds neu aufzeigen und gleichzeitig negative Dinge ausbalancieren.

Foundry-Planet: Bei welcher Veranstaltung kann man Sie denn zukünftig treffen?

Fenja Feitsch: Im Moment sind keine Events geplant, nur interne Veranstaltungen des VDI. Die letzte Veranstaltung war der Deutsche Ingenieurstag Ende Mai. Alle Veranstaltungen werden zudem auf unserer Webseite veröffentlicht: www.vdi.de/veranstaltungen.

Foundry-Planet: Vielen Dank für das Interview!

Info VDI

Der VDI (Verein Deutscher Ingenieure) zählt in seinem Netzwerk der Young Engineers über 30.000 aktive Mitglieder, die entweder noch an der Universität studieren oder sich bis maximal 4 Jahre im Berufsleben befinden. Doch auch Menschen, die wieder studieren oder sich dem VDI zugehörig fühlen, zählen dazu. Grundsätzlich nimmt der VDI jeden Ingenieur / jede Ingenieurin auf. Die 135.000 Mitglieder haben die Möglichkeit, an Events auf Bundesebene teilzunehmen, wo sie sich mit anderen auszutauschen und Kontakte knüpfen können.  

Fenja Feitsch’s Engagement beim VDI

Fenja Feitsch ist seit Juni 2021 Vorsitzende der VDI Young Engineers. Zu ihren Aufgaben gehört u. a. die Organisation von bundesweiten Veranstaltungen wie Exkursionen, Network-Events und Kongressen. „Als Vorsitzende der VDI Young Engineers habe ich viel mit den Teams vor Ort zu tun. Davon gibt es circa 50 bundesweit verteilt. Aufgrund der regionalen Unterschiede ist jedes Team anders. Bei den einen spielt Networking eine größere Rolle, bei den anderen ist es die Aneignung von Softskills. Wieder andere lieben Exkursionen. Spannend ist, wenn man alle zusammen an einen Tisch bringt.“

 

Das Gespräch führte Foundry-Planet Redakteurin Diana Engelmann


 

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