Unter dem Eindruck von massivem Wirtschaftsrückgang, Inflation und ausgeprägter Energieunsicherheit fand im Oktober 2022 in Bremen am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM die 3. VDI-Tagung zum Thema Gießtechnik und E-Mobilität statt.
Schon in seinem Eingangsstatement stellte Konferenzleiter Dipl.-Ing. Franz-Josef Wöstmann grundsätzlich fest, dass E-Mobilität auch in Deutschland gesellschaftlich immer noch eine Frage der Akzeptanz sei und wesentlich davon abhängt, ob man in der städtischen oder ländlichen Umgebung beheimatet ist.
Die aktuelle Wirtschaftssituation und das Europäische Umfeld geben zudem Anlass zur Sorge und es lasse sich zweifelsohne feststellen, dass Europa derzeit kein Wachstumsmarkt mehr ist. Deshalb war schon zu Beginn der gut besetzten Veranstaltung der Appell angebracht, es gäbe momentan keine Alternative zum kooperativen Umgang zwischen OEMs und Lieferanten und als zielführendes Beispiel für guten Umgang und im Interesse aller nannte Wöstmann japanische Unternehmen als Vorbild.
Damit war die Grundlage für eine spannende Tagung gelegt, bei der die Teilnehmer von OEMs ebenso wie Lieferanten, Tier1 und branchenübergreifende Experten zu Wort kamen.
Giga oder Mega-Casting riesige Druckgießzellen auf dem Vormarsch?
Ein Themenbereich, der sich durch viele Beiträge zog, beschäftigt sich mit der Zukunft der rieseigen Druckgießmaschinen mit einer Schließkraft ab 8.000 Tonnen. Neueste Meldungen sprechen von einer 12000t Maschine, die in China bestellt wurde und Überlegungen auch 15000t Maschinen vorzubereiten.
In ihrem Eingangsreferat machten Klaus Sammer und Dr.-Ing. Thomas Kopp (beide BMW Group Werk Landshut) sehr deutlich klar, dass es im Druckguss nicht zwingend auf die Größe der Maschinen ankomme. Vielmehr sei Prozesssicherheit, Gieß-Know-How und Stabilität maßgeblich. BMW vergießt am Standort ca. 3 Millionen Bauteile mit etwa 58.000t Druckguss pro Jahr und kommt mit Maschinengrößen bis 4.400t aus.
Diese Maschinen werden beim richtigen Einsatz auch den Anforderungen modernster Batteriegehäuse oder großer Strukturteile gerecht dazu brauche es weder Mega- noch Gigamaschinen stellten die Vertreter des bayerischen OEMs eindeutig fest.
Anders hat sich zu diesem Thema inzwischen VOLVO positioniert und wird künftig auch mit Megapressen produzieren und als Tier1 will der renommierte Druckgießer Handtmann in den Kreis der Megacaster aufsteigen. Pünktlich zum 150. Firmenjubiläum soll im Jahr 2023 eine Megapresse von Bühler installiert werden, die einen kompletten Hinterwagen im Druckguss herstellen kann, wie Dipl.-Ing. Stefan Kneer erklärt.
Was die Bewertung und die Alternativen zum Giga-Casting angeht damit haben sich Dipl.-Wi.-Ing.Christoph Pille und sein Kollege Dr.-Ing. Dirk Lehmhus vom Fraunhofer IFAM beschäftigt.
Neben allen Vorteilen durch die Reduktion von Prozessschritten und Einzelteilen sehen die Experten auch Zielkonflikte was die Kreislauffähigkeit und die Reparaturfähigkeit der Bauteile angeht. Hier sind noch viele Fragen offen und es kursieren kontroverse Ansichten. Wie BMW sieht man auch bei GF Casting Solutions die Anforderungen an die Gießer eher an der Nachhaltigkeit orientiert und das habe mehr mit Gießtechnik und Metallurgie zu tun als mit Maschinengröße, selbst wenn TESLA`s Elon Musk das anders sieht.
Trotzdem sei der Trend weltweit hin zu den großen Maschinen in vollem Gang wie Jost Gaertner von ALUMAG feststellt. In seinem Vortrag hinterlegte er unter anderem eine Liste der 44 größten verkauften/installierten Riesenmaschinen weltweit (siehe Whitepaper). Das zeigt deutlich, dass die großen Strukturteile vor allem bei TESLA in USA, China und Deutschland, aber auch bei großen chinesischen Unternehmen gefragt sind. Aus dieser Entwicklung könnte man nun kritisch ableiten, dass sich EUROPA von einem Front Runner zu einem Follower entwickelt, aber das wird wie beschrieben durchaus kontrovers diskutiert.
Die Verschiebung der Antriebe hin zu mehr E-Mobilität hat nach Gaertners Ansicht nicht nur im Druckguss weitreichende Auswirkungen vielmehr gäbe es auch für die Bereiche Stahl für BEV-Plattformen und Strangguss hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten.