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Gießtechnik und E-Mobilität - 3.VDI Fachkonferenz am Fraunhofer IFAM in Bremen

Komponenten im elektrischen Antriebsstrang, Giga-Casting, Transformation, Kreislaufwirtschaft, Energiepreise im Diskurs

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Thomas Fritsch, Chief Editor

Unter dem Eindruck von massivem Wirtschaftsrückgang, Inflation und ausgeprägter Energieunsicherheit fand im Oktober 2022 in Bremen am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM die 3. VDI-Tagung zum Thema Gießtechnik und E-Mobilität statt.

Schon in seinem Eingangsstatement stellte Konferenzleiter Dipl.-Ing. Franz-Josef Wöstmann grundsätzlich fest, dass E-Mobilität auch in Deutschland gesellschaftlich immer noch eine Frage der Akzeptanz sei und wesentlich davon abhängt, ob man in der städtischen oder ländlichen Umgebung beheimatet ist.

Die aktuelle Wirtschaftssituation und das Europäische Umfeld geben zudem Anlass zur Sorge und es lasse sich zweifelsohne feststellen, dass Europa derzeit kein Wachstumsmarkt mehr ist. Deshalb war schon zu Beginn der gut besetzten Veranstaltung der Appell angebracht, es gäbe momentan keine Alternative zum kooperativen Umgang zwischen OEMs und Lieferanten und als zielführendes Beispiel für guten Umgang und im Interesse aller nannte Wöstmann japanische Unternehmen als Vorbild.

Damit war die Grundlage für eine spannende Tagung gelegt, bei der die Teilnehmer von OEMs ebenso wie Lieferanten, Tier1 und branchenübergreifende Experten zu Wort kamen.


Giga oder Mega-Casting riesige Druckgießzellen auf dem Vormarsch?

Ein Themenbereich, der sich durch viele Beiträge zog, beschäftigt sich mit der Zukunft der rieseigen Druckgießmaschinen mit einer Schließkraft ab 8.000 Tonnen. Neueste Meldungen sprechen von einer 12000t Maschine, die in China bestellt wurde und Überlegungen auch 15000t Maschinen vorzubereiten.

In ihrem Eingangsreferat machten Klaus Sammer und Dr.-Ing. Thomas Kopp (beide BMW Group Werk Landshut) sehr deutlich klar, dass es im Druckguss nicht zwingend auf die Größe der Maschinen ankomme. Vielmehr sei Prozesssicherheit, Gieß-Know-How und Stabilität maßgeblich. BMW vergießt am Standort ca. 3 Millionen Bauteile mit etwa 58.000t Druckguss pro Jahr und kommt mit Maschinengrößen bis 4.400t aus.

Diese Maschinen werden beim richtigen Einsatz auch den Anforderungen modernster Batteriegehäuse oder großer Strukturteile gerecht dazu brauche es weder Mega- noch Gigamaschinen stellten die Vertreter des bayerischen OEMs eindeutig fest.

Anders hat sich zu diesem Thema inzwischen VOLVO positioniert und wird künftig auch mit Megapressen produzieren und als Tier1 will der renommierte Druckgießer Handtmann in den Kreis der Megacaster aufsteigen. Pünktlich zum 150. Firmenjubiläum soll im Jahr 2023 eine Megapresse von Bühler installiert werden, die einen kompletten Hinterwagen im Druckguss herstellen kann, wie Dipl.-Ing. Stefan Kneer erklärt.

Was die Bewertung und die Alternativen zum Giga-Casting angeht damit haben sich Dipl.-Wi.-Ing.Christoph Pille und sein Kollege Dr.-Ing. Dirk Lehmhus vom Fraunhofer IFAM beschäftigt.

Neben allen Vorteilen durch die Reduktion von Prozessschritten und Einzelteilen sehen die Experten auch Zielkonflikte was die Kreislauffähigkeit und die Reparaturfähigkeit der Bauteile angeht. Hier sind noch viele Fragen offen und es kursieren kontroverse Ansichten. Wie BMW sieht man auch bei GF Casting Solutions die Anforderungen an die Gießer eher an der Nachhaltigkeit orientiert und das habe mehr mit Gießtechnik und Metallurgie zu tun als mit Maschinengröße, selbst wenn TESLA`s Elon Musk das anders sieht.

Trotzdem sei der Trend weltweit hin zu den großen Maschinen in vollem Gang wie Jost Gaertner von ALUMAG feststellt. In seinem Vortrag hinterlegte er unter anderem eine Liste der 44 größten verkauften/installierten Riesenmaschinen weltweit (siehe Whitepaper). Das zeigt deutlich, dass die großen Strukturteile vor allem bei TESLA in USA, China und Deutschland, aber auch bei großen chinesischen Unternehmen gefragt sind. Aus dieser Entwicklung könnte man nun kritisch ableiten, dass sich EUROPA von einem Front Runner zu einem Follower entwickelt, aber das wird wie beschrieben durchaus kontrovers diskutiert.

Die Verschiebung der Antriebe hin zu mehr E-Mobilität hat nach Gaertners Ansicht nicht nur im Druckguss weitreichende Auswirkungen vielmehr gäbe es auch für die Bereiche Stahl für BEV-Plattformen und Strangguss hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten.

Kreislaufwirtschaft im elektrischen Antriebsstrang

Zu diesem Thema kam Dr. rer.nat Marion Früchtl (Head of Central Unit of Biological Transformation Fraunhofer Institute for Casting, Composite and Processing Technology IGCV, Augsburg) wie gerufen. Die Expertin für Kreislaufwirtschaft führt in ihrem Vortag aus, dass es bei den Klimazielen bis 2050 vor allem darum geht Abfall grundsätzlich zu vermeiden.

Heute gäbe es vor allem Probleme bei Demontierungen im Umgang mit Verbundwerkstoffen und verschiedenen Legierungen. Dazu sind noch viele Fragen offen, insbesondere was Lager und Verantwortlichkeit angeht, dazu sei ein Mangel an verwertbaren Daten zu beklagen.

Abhilfe schaffen könnte hier der Ansatz eines Circonomy Hubs in einer branchenübergreifenden offenen Plattform zur Vernetzung. Dazu ist geplant ein Projekt anzuschieben, dem sich möglichst viele internationale Interessenten anschließen und vernetzen. (Wir werden über den Fortgang dieses Projekts berichten)

Aktuelle Lage – Energiepreis Druck

In diesem Themenabschnitt beschäftigte sich die Veranstaltung mit den aktuellen Herausforderungen und dem besten Umgang mit pragmatischen Lösungen für die Unternehmen.

Energieexperte Markus Barella (energy-first) zeigte den Teilnehmern die Zusammenhänge und die Entwicklung der Energiepreise und wie diese beeinflusst werden.

Insgesamt gehe es nun darum möglichst viel Energie einzusparen wo das möglich ist, das Rückfahren der Produktion ist ausdrücklich KEINE Lösung, denn es gibt für jedes Unternehmen noch vielfältige Energieeinsparungspotenziale, vor allem, was erneuerbare Energie betrifft, aber auch die Politik sei gefragt schneller und klarer zu handeln, denn Unsicherheit und zögerliche Politik befeuern die Inflation. Zudem könne man auch das Merit-Order-System zumindest temporär in Frage stellen, um dem Markt eine Chance zu geben sich zu entflechten.

Unternehmer, Druckgießer und Positivdenker Gerd A. Röders aus Soltau bestätigt eindrücklich, dass es für viele Betriebe derzeit ums Überleben geht, aber auch diese Phase werde vorüber gehen. Röders hat in seinem Unternehmen bislang nicht auf staatliche Unterstützung gesetzt, sondern pragmatisch alle energierelevanten Kriterien auf den Prüfstand gestellt. Zusammen mit seinen Leuten wurde eine Verbrauchsmethodik für jede einzelne Maschine eingebracht, auf 3-Schicht Betrieb umgestellt mit Beschickungsveränderungen und gelichzeitiger Verlängerung der Wochenenden.

Im Qualitätsbereich wurde eine Ausschussoptimierung aufgesetzt, so dass der Unternehmer Röders mit seinen Mitarbeitern trotz allem positiv bleiben kann.

Ganz ähnlich sieht die Einschätzung des renommierten Unternehmensberaters Johannes Messer aus und die daraus resultierenden Handlungsanweisungen.

Messer führt aus, dass wir es momentan mit derart vielen Herausforderungen gleichzeitig zu tun haben wie nie zuvor, dennoch sei es jetzt die Kunst die Herausforderungen in Erfolg umzusetzen. Die E-Mobilität kann dabei auch ein Beschleuniger sein, zum einen, weil neue Wettbewerber am Markt sind und das Ringen um die beste Produktion gerade erst beginnt. Für Europa ganz generell sieht der Druckguss- und Leichtbauexperte nicht schwarz.

Europas Vorteil sei das weltweit beste und gewachsene Netzwerk: Die besten Lieferanten, bestes Rohmaterial, die führenden Produktentwickler, der beste Formenbau und optimaler Maschinenbau.

Diese Konstellation beinhalte per se eine Vorzugsqualität, die es gerade jetzt konsequent zu nutzen gelte. Als Voraussetzung für den Erfolg sieht Messer aber vor allem gemeinschaftliches Vorgehen von OEMs und Lieferanten, um die Grundlagen des Netzwerkes zu nutzen. Er fordert daher die Kooperation zwischen OEMs und Gießern zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Konstruktionsphase und hohe Geschwindigkeit in der Umsetzung.

In der Podiumsdiskussion mit Dr.Thomas Knopp, G.A. Röders, Peter Lutze (ae Group) und Johannes Messer waren sich die Teilnehmer grundsätzlich einig, dass genau hier angesetzt werden muss.

Die Kriterien des Erfolgs sind ganz einfach auf den Punkt gebracht:

Faire Kunden/Lieferantenbeziehung, Kostenreduzierung und Ausschussoptimierung, das sind die Punkte, die die Unternehmen selbst leisten müssen. Die Diskutanten waren sich weiter einig, dass es nicht zielführend sei jedem kurzfristigen Trend nachzueifern, sondern das richtige Material am richtigen Ort mit dem passenden Prozess einzusetzen. Peter Lutze konnte das beispielhaft für sein Unternehmen, die ae Group, darstellen, die heute schon CO² neutral produzieren. Bei allem Optimismus und fortschrittlicher Produktion gäbe es aber auch Herausforderungen, die sich nicht technisch lösen lassen, wie etwa den latenten Personalmangel.

Ein Grund mehr, dass sich die Gießereien der Zukunft attraktive Arbeitsplätze aktiv präsentieren.

Die Veranstaltung von Fraunhofer IFAM und VDI bot alles in allem interessante Vorträge und eine ausgezeichnete Netzwerkbühne und zeigte eindrücklich wie wichtig Veranstaltungen dieser Art in Präsenz sind.

Abgerundet wurden die Fachbeiträge noch mit einem interessanten Ansatz der HA Group zum Thema Einsatz von verlorenen Kernen im HPDC, Gießtechnische Simulation von Semi-Solid Casting (Project Engineering GmbH), Spulen für Elektromotoren hergestellt im Aluminiumdruckguss (Heinzmann GmbH) auch mit Blick auf Unabhängigkeit vom Rohstoff Kupfer und hocheffiziente Radnabenantrieb vorgestellt von Deep Drive

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