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Für das Ziel Klimaneutralität werden enorme Mengen Guss nötig sein

„Wir wollen einen Industriestrompreis für Deutschland, der international wettbewerbsfähig ist“ – Max Schumacher, Hauptgeschäftsführer des BDG

Lesedauer: min | Bildquelle: BDGuss
Thomas Fritsch, Chief Editor
International Editor Diana, Engelmann

Max Schumacher, Hauptgeschäftsführer des BDG, verrät im Interview, welche Forderungen der BDG hinsichtlich eines Energiestrompreises an die Politik stellt, um Deutschland als Industriestandort zu erhalten. Auch geht es um erneuerbare Energien und darum, die klimapolitischen Ziele bis 2045 zu erreichen.

Foundry-Planet: Herr Schumacher; Deutschlands Energiepolitik ist momentan in Aufruhr. Die Betriebe müssen die Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der Transformation sichern und gleichzeitig dem Klimawandel den Kampf ansagen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage aufgrund der hohen Industriestrompreise? Ist Deutschland als Industriestandort in Gefahr?

Max Schumacher: Wenn man sieht, welche riesigen Gussmengen für erneuerbare Energien gebraucht werden, sollte man meinen, dass Deutschlands Gießereien stark ausgelastet sind. Dem ist leider nicht immer so. Denn trotz der gestiegenen Energiepreise wird zu wenig in erneuerbare Energien investiert. Und das in einer Situation, in der wir es mit Energieknappheit zu tun haben. Wir befinden uns in einer Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine. Das beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gießereiindustrie nachhaltig. Wir haben auf dem globalen Markt Strompreise um die 4 Cent. Gerade in der Krise, in der langfristige Stromverträge abgeschlossen wurden – hatten Deutschlands Gießereien ein Vielfaches zu bezahlen.

Trotz der gestiegenen Energiepreise wird zu wenig in erneuerbare Energien investiert

Foundry-Planet: Was bedeutet das konkret?

Max Schumacher: Wir hatten in Deutschland eine Vervielfachung der Energiepreise! Es gibt heute noch Gießereien, mit langlaufenden Verträgen, wo der Energiepreis deutlich über 30 Cent liegt. Im europäischen Vergleich sind die deutschen Energiepreise immer noch an der Spitze zu finden. Das beeinträchtigt – neben anderen Standortfaktoren – die Wettbewerbsfähigkeit. Wir sind gerade erst aus der Atomenergie ausgestiegen und möchten zudem den Kohleausstieg. Das verknappt den Markt und versteuert die Energiepreise.

Foundry-Planet: Bis die Industrie ganz auf grüne Energie setzen kann, wird es noch eine Weile dauern. Politisch wird momentan nicht an einem Strang gezogen. Was fordern Sie als Verband? Was muss geschehen, dass die deutsche Industrie klimaneutral produzieren kann? Welche Rahmenbedingungen fordern Sie von der Politik?

Wir fordern einen Industriestrompreis zur Überbrückung- unbürokratisch und nachhaltig - zum 1. Januar 2024

Max Schumacher: Es geht in erster Linie um die Überbrückung der Energiepreise und nicht um eine dauerhafte Subventionierung. Laut Bundesregierung soll die Versorgung der Industrie bis 2030 durch erneuerbare Energien soweit sichergestellt werden, um einen international wettbewerbsfähigen Strompreis - basierend auf erneuerbaren Energien - zu erzielen und um eine Klimawende herbeizuführen. In Anbetracht von Kohle- und Atomausstieg bedeutet das, dass wir bis etwa 2030 eine Brücke schaffen müssen. Wir brauchen für die Zeit des Übergangs zu erneuerbaren Energien einen stabilen Strompreis für die Industrie. Zum heutigen Standpunkt sind noch zu viele Voraussetzungen an den Industriepreis geknüpft – das muss sich ändern. Deshalb fordern wir einen Industriestrompreis, der international wettbewerbsfähig ist. Der neue Industriestrompreis muss möglichst schnell von der Politik – binnen der nächsten 10 Monaten – in die Tat umgesetzt werden. Wir fordern von Minister Habeck einen unbürokratischen und nachhaltigen Strompreis zum 1. Januar 2024.

Da ist eine gewisse Zurückhaltung vom Kanzleramt, die mit ordnungspolitischen Bedenken angeführt wird

Foundry-Planet: Durch den Ukrainekrieg kam es zu Engpässen und Versorgungsschwierigkeiten. Viele Unternehmen sind folglich auf den hohen Energiekosten sitzen geblieben.  Haben Sie den Eindruck, dass sich an dieser Situation bereits etwas geändert hat? Oder steht uns die drohende De-Industrialisierung unmittelbar bevor?



Max Schumacher: Große Teile der SPD haben den Ernst der Lage verstanden. Der aktuelle Gießereibericht zeigt, dass Gießereien Teuerungszuschläge derzeit mit allen Kunden verhandelt werden. Man versucht die bestehenden Verträge zu retten, doch es ist deutlich spürbar, dass die Neuauftragslage schwächelt. Einige Kunden fordern gar dazu auf, die Produktion binnen weniger Jahre ins Ausland zu verlegen. Das fördert weder die deutsche Wirtschaft noch den Klimaschutz. Politisch sehen wir in diesem Zusammenhang eine Bewegung bei den Grünen. Gleichzeitig ist da eine gewisse Zurückhaltung vom Kanzleramt und Finanzministerium, die mit marktwirtschaftlich ordnungspolitischen Bedenken angeführt wird.


Unser Ziel ist, bis 2045 klimaneutral zu sein. Doch das können wir nur mit einem niedrigen Industriestrom erreichen

Foundry-Planet: Es ist doch ein Skandal, dass sich die Politik in dieser Situation nicht solidarisch verhält. Wie sehen Sie das?

Max Schumacher: Das sehen wir auch so, dass der ordnungspolitische Mechanismus hier nicht greift. Wir haben einen sehr regulierten Energiemarkt, der alles andere als liberal ist. Politik und Gesellschaft fordern, bis 2045 klimaneutral zu sein. Doch das können wir nur erreichen, wenn wir einen niedrigen Industriestrompreis haben! Dafür muss der Strom günstiger als Gas sein. Ansonsten gibt es keinen Anreiz, von der fossilen Energie wegzugehen, und stattdessen auf grünen Strom zu setzen. Das versuchen wir gerade politisch zu erreichen.

 

Foundry-Planet: In der Gießerei Baumgarte in Bielefeld wird eine Solidaritätsbekundung stattfinden. Was versucht diese Bewegung zu erreichen?

Max Schumacher: Diese Bewegung ist ein Appell der Gießereiindustrie für einen Industriestrompreis. Die Solidaritätsbekundung zeigt nachdrücklich, wie groß die Not der Gießereiindustrie ist. Es ist die allererste Aktion, die von Gewerkschaften (IG Metall), Verbänden (BDG) und Unternehmern gemeinsam auf die Beine gestellt wird. Es ist ein lautes JA zum Industriestrompreis. Mehr als 1.000 Teilnehmer werden auf der Veranstaltung erwartet, unter anderem Clemens Küpper, Präsident des BDG sowie Jürgen Kerner, Hauptkassierer und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Wir müssen gemeinsam laut werden, damit die Aktion einen möglichst großen Widerhall erfährt. Das macht noch einmal deutlich, dass diese Aktion keine Maßnahme der Interessenvertretung ist, sondern von der gesamten Industrie – Geschäftsführern, Vorständen und Mitarbeitern – getragen wird.

Die politische Situation ist als mangelhaft einzustufen

Foundry-Planet: Wenn Sie nach Schulnoten bewerten: Welche Note geben Sie der Politik aktuell hinsichtlich der Industriestrompreisbremse?

Max Schumacher: Ich glaube, dass die Situation politisch richtig eingeschätzt wird, dass aber die Mittel, wie man ihr erfolgreich begegnen kann, nicht dementsprechend genutzt werden. In liberaler Sicht – in Schulnoten – vergebe ich hier ein mangelhaft. Ansonsten ist von der SPD bis zu den Grünen das komplette Spektrum – von gut bis mangelhaft - vertreten. Doch in diesem Fall würde ich keine eins vergeben.

Foundry-Planet: Welche Erkenntnis ist, bei all den Entwicklungen in der Branche, für Sie persönlich die wichtigste?

Max Schumacher: Es ist wichtig zu erkennen, dass wir Teil der Lösung sind. Wir werden das auch auf unserem Stand auf der GIFA präsentieren. Die Sonderveranstaltung vom BDG-Guss heißt „Castainability“ und zeigt unsere Roadmap zu NET ZERO bis 2045. Dabei geht es auch um den CO₂-Footprint. Wir sind bereit das ganze anzugehen, benötigen hierfür jedoch geeignete Rahmenbedingungen.

Derzeit wären in Deutschland nur 31 NE-Gießereien dazu berechtigt, den Industriestrompreis zu bekommen

Foundry-Planet: Letzte Frage: Wer soll den Industriestrompreis Ihrer Meinung nach bekommen?

Max Schumacher: Momentan unterstützen wir Habecks Plan, da wir ein funktionierendes Wirtschaftssystem benötigen. Der Vorschlag eines Industriestrompreises ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Plan beinhaltet aber, dass nur bestimmte Gießereien und Unternehmen Sonderregelungen nach EEG den Industriestrompreis bekommen werden. Das sind in Deutschland derzeit etwa nur 31 NE-Gießereien. Ebenfalls muss tariftreu gehandelt werden, gemäß dem Flächentarifvertrag, bei dem eine langjährige Beschäftigungs- und Standortgarantie abgegeben werden muss. Auch gibt es noch viele weitere Voraussetzungen, die viele Gießereien derzeit noch ausschließen. Dabei geht es um die Bruttowertschöpfung. Die Gießereiindustrie ist generell kapital-, personal- und energieintensiv. Wenn eine Gießerei automatisiert mehr Strom verbraucht, aber beispielsweise 15 Prozent des Personals entlässt, wäre sie nach diesen Kriterien energieintensiver. Doch da Gießereien grundsätzlich mehr Personal haben, sind sie folglich weniger energieintensiv. Die Formel nach dem Energiesteuerrecht besagt aber, dass Gießereien energieintensiv sind, wenn ihre Energieaufwendungen 3 Prozent an den Gesamtkosten ausmachen. Und genau das ist, was wir als Übergangslösung mit dem Industriestrompreis anstreben.

Foundry-Planet: Herzlichen Dank für das Interview! Wir freuen uns darauf, Sie auf der GIFA in Düsseldorf wiederzusehen.

Das Interview führte Thomas Fritsch, CEO Foundry-Planet; und Diana Engelmann, Redakteurin, Foundry-Planet

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