Hartmut Fischer denkt gerne an die EUROGUSS 2024 zurück, denn da war die Stimmung positiv und das ist für die deutsche und die europäische Wirtschaft gerade besonders wichtig.
Beim Werkstoff Magnesium gerät der Unternehmer ins Schwärmen und sagt ganz offen: “Ich kämpfe für die Wettbewerbsfähigkeit von Magnesiumdruckguss. Sie darf nicht von Rahmen- und Randbedingungen der Politik aufs Spiel gesetzt werden.“
Die Wettbewerbsfähigkeit von Magnesiumdruckguss darf nicht von der Politik aufs Spiel gesetzt werden
Als Chef der STIHL Magnesium Gießerei in D4 kennt Fischer den unterschiedlichen Energieaufwand in Europa, die überbordende Bürokratie, den Druck von Lohn- und Lohnnebenkosten bis hin zum Lieferkettengesetz und die damit verbundenen Dokumentationspflichten. „Das sind die Bedingungen, die es der Industrie gerade in Deutschland besonders schwer machen und deshalb geht der Appell an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, die Industrie nicht über Gebühr zu belasten und neue Regelungen zu stoppen“, so Fischer.
Das Unternehmen STIHL, das weltweit operiert, steht zu seinem Standort in Deutschland und will auch künftig investieren. Da geht es um die Standortvorteile, das Know-how und die gut ausgebildeten Mitarbeiter, die es auf jeden Fall zu erhalten und zu stärken gilt. „Allerdings muss der Standort Deutschland deutlich wettbewerbsfähiger werden, um die Attraktivität für Investitionen hierzulande zu verbessern.“, wie Fischer betont.
Wie geht es dem Werkstoff Magnesium aktuell?
Magnesium war Ende 2021 durch Lieferengpässe in den Schlagzeilen, als es bisweilen in manchen Betrieben zu Engpässen kam und die Preise in die Höhe schnellten.
„Das hat sich alles längst normalisiert“, betont Fischer, wenngleich sich das Preisniveau höher eingependelt habe. Mittlerweile gibt es weltweit diverse neue Projekte zur Magnesiumgewinnung, auch in Europa. Damit gibt es dann ein breiteres Angebot, auch Magnesium aus Europa, so dass sich die Nachteile nicht mehr so stark auswirken können.
Was macht den Werkstoff Magnesium so attraktiv für Gussteile?
Magnesiumdruckguss wird in den verschiedensten Industriebereichen eingesetzt und bietet gegenüber Aluminium und Stahl, je nach der spezifischen Anforderung, folgende Vorteile (u.a.):
- Gewichtsersparnis: Magnesium ist das leichteste strukturelle Metall, was zu erheblichen Gewichtseinsparungen führt, entscheidend etwa in der Automobil- oder Motorradindustrie. In jüngster Zeit sind E-Bikes ein gutes Beispiel.
- Hohe spezifische Festigkeit: Magnesiumlegierungen bieten eine gute Kombination aus Festigkeit und Gewicht, gegenüber Aluminium 30% weniger Gewicht
- Gute Wärmeleitfähigkeit: Magnesium hat eine hohe Wärmeleitfähigkeit
- Formbarkeit: Magnesiumlegierungen haben eine gute Gießbarkeit und können komplexe Geometrien mit dünnen Wandstärken erreichen
- Elektromagnetische Abschirmung: Zum Minimieren von elektromagnetischen Interferenzen bietet Magnesium eine hohe Abschirmung
Das sind Vorteile, die vor allem im Leichtbau in der Automobilindustrie, bei der Luft- und Raumfahrt, Elektronik, Sport- und Arbeitsausrüstung und in der Medizintechnik zum Tragen kommen.
Bei STIHL, dem führenden Hersteller von Kettensägen und motorisierten Garten- und Landschaftsgeräten, spielt der Einsatz von Magnesiumdruckguss eine besondere Rolle. Gerade bei Bauteilen, die in Endprodukte zum mobilen Einsatz verbaut werden, macht die Gewichtsersparnis großen Sinn.
STIHL– D4 2022:
- Rund 40 Millionen Druckgussteile / ca. 900 Mitarbeiter / Umschmelzkapazität 4500 Tonnen / CO2-neutral Scope 1 und 2
- Hohe Fertigungstiefe. Alle Produktionsprozesse im eigenen Haus, vom Guss bis zur Pulverbeschichtung, Bearbeitung und Vormontage
- Mg-Warmkammerspezialist: 30 Gießmaschinen mit bis zu 1000 Tonnen Schließkraft
Wie nachhaltig ist der Einsatz von Magnesiumdruckguss?
STIHL ist schon heute hinsichtlich seiner Scope-1- und Scope-2-Emissionen rechnerisch CO2-neutral durch den Erwerb von Ausgleichszertifikaten und sieht den Klimaregularien gelassen entgegen. Magnesium ist als Material optimal recyclebar und überzeugt durch Langlebigkeit und Effizienz.
Als Leichtgewicht (30% weniger als Aluminium) trägt der Werkstoff per se zur Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und Emission bei.
Wohin geht die Zukunft im Magnesiumdruckguss?
„Magnesium ist der brillante Werkstoff, der den großen Durchbruch nie so ganz geschafft hat“, räumt Fischer ein. Er kann sich jedoch sehr wohl mit Aluminium und Stahl messen.
Im Bereich Automotive hat Magnesium großes Potenzial. Doch auch für E-Bikes, die Flugzeugindustrie und überall sonst, wo der Werkstoff spezifisch eingesetzt wird, entstehen Vorteile. In China sieht Fischer einen ganz anderen Drive beim Einsatz von Magnesium im Leichtbau, zum Beispiel im LKW-Bereich, deshalb lohne es sich ab und zu einen Blick ins Reich der Mitte zu werfen.
Beim Thema Antrieb für Motorsägen und andere Motorgeräte zeigt sich Hartmut Fischer ganz als Pragmatiker. „E-Motoren sind ganz klar auf dem Vormarsch und überzeugen auch durch eine gute Leistungspalette, aber je weiter der Einsatzort in der Natur von der nächsten Steckdose entfernt ist, desto mehr sind ausgereifte Verbrennungsmotoren zu empfehlen.“
Das passt zur grundsätzlichen Einstellung des Mannes, der für die Wettbewerbsfähigkeit seines Werkstoffes Magnesium einsteht und sich Technologieoffenheit für wichtige Zukunftsfragen wünscht.
Über Hartmut Fischer:
- 65 Jahre, verheiratet, 3 Kinder
- Dipl.-Ing. (Universität Hannover)
- Beruflicher Werdegang STIHL (37 Jahre):
- Ingenieur / Betreuer Vorentwicklung
- Abteilungsleiter Zuverlässigkeitsprüfung Motorsägen
- Abteilungsleiter F&E, Leiter der Zylinderfertigung STIHL Brasilien
- Abteilungsleiter professionelle Kettensägenprojekte
- Direktor Forschung & Entwicklung Services
- Geschäftsführer Betrieb / Präsident STIHL Brasilien
- Geschäftsführer STIHL Magnesium Druckguss Weinsheim
- 10 Jahre Vorsitzender, Vorstandsmitglied, Präsident European Garden Machinery Federation(EGMF)
Ehrenämter derzeit:
- Präsident Verband Deutscher Druckgießer (VDD
- Präsident Internationaler Magnesiumverband (IMA)
- Mitgliedschaften und Positionen BDGUSS, VDD, IMA