Prof. Dr.-Ing. Martin Fehlbier brachte es zum Ende der VDI-Tagung in Landshut mit dem Dank an Teilnehmer, Vortragende und Organisatoren auf den Punkt: Guss erfindet sich immer wieder neu!
Dabei wurde in Vorträgen, Diskussionen und beim Netzwerken rund um die Themen Giga-/Megacastings und die Zukunft des Druck- und Kokillenguss deutlich, dass es durchaus unterschiedliche Herangehensweisen an Großgussteile aus Aluminium geht.
Während sich China gerade offensichtlich zum Paradies für Giga-/ Megacastings entwickelt gibt es bei Fachleuten aus Forschung, Wirtschaft, bei OEMs und Zulieferern durchaus geteilte Meinungen.
So führte Dipl.Ing. Frank Wimmer, verantwortlich für den Einkauf von Guss- und Strukturbauteilen bei BMW aus, dass der Einsatz von Aluminium in PKW weiter zunehmen werde. BMW werde auch künftig keine reine On-site Gießerei betreiben, sondern setzt ganz bewusst auf einen ausgewogenen Lieferantenmarkt. Dazu benötige man aus diversen Überlegungen auch keine Großgussteile aus der Produktion von Druckgießzellen über 5700t Schließkraft.
Eine großartige Übersicht über die Entwicklung für Leichtmetallgussteile in Chassis und Body-in White in Europa legte Isabelle Kraft MIB, Ducker Research Europe GmbH vor, Tobias Stemler und Stefan Kneer berichteten über das Alleinstellungsmerkmal von Albert Handtmann Metallgusswerk GmbH & Co. KG, Biberach, die als erster Tier1 Zulieferer eine Megapresse in Betrieb nehmen werden. Für Handtmann ist diese Entwicklung ein Technologiepush und der Anreiz mutig neue Wege zu gehen.
Die Anforderungen an Infrastrukturmaßnahmen beim Einsatz von „Mega Druckgusszellen“ stellte Dipl. Ing (FH) Sascha Padovan anschaulich dar und kam zu dem Schluss, dass die Unterscheidung zwischen MEGA, GIGA, ULTRA eine sich fortlaufend verändernde Größe sei. Das betrifft schon in der Planung die Hallengröße, die Krankapazitäten, die immensen elektrischen Anschlussleistungen, die Bearbeitungsmöglichkeit und die Logistikanforderungen.
„Elon Musk hat uns zum Nachdenken gebracht“
Sehr stichhaltig und tiefgreifen auch die Überlegungen von Dipl.-Wi.-Ing. Christoph Pille Fraunhofer IFAM, Bremen zusammen mit Dr.-Ing. Martin Hillebrecht EDAG Engineering, München zum Thema: Großguss als Veränderungstreiber im Karosseriebau.
In seinem Statement zum Engineering Update betrachtet Christoph Pille die derzeitige Entwicklung durchaus anerkennend. Natürlich hat TESLA mit seiner Strategie eines kompletten Rear Underbody (RUB) oder eines Front Underbody (FUB) die Industrie aufgerüttelt und zum Nachdenken gebracht und in China scheint es momentan fast kein Größenlimit zu geben. Dabei spielten aber die Grundvoraussetzungen eine wesentliche Rolle. Es ist natürlich ein Unterschied ob wir uns im Greenfield oder im Brownfield bewegen.
Pille findet in seiner Abwägung gute Gründe, die für als auch gegen den Großguss sprechen und ist sich nicht sicher, ob sich der Großguss in Europa wirklich durchsetzen wird. Dabei äußert er seine Bedenken in der anspruchsvollen Frage, warum ein Vorderwagen, denn zwingend aus einem Teil bestehen müsse, wenn es auch zwei sein könnten. Ein deutliches Plädoyer für das Motto: Das richtige Material am richtigen Ort.
Zulieferindustrie nah am Kunden
Auch aus der Praxis der Zulieferindustrie wurden interessante Projekte und Einblicke präsentiert.
So konnte Bühlers Martin Lagler über die kosteneffiziente Herstellung von Druckgussstrukturteilen berichten und betonte dabei die Zusammenarbeit von OEM, Gießerei und verschiedenen Lieferanten. Die Effizienz entstehe gerade bei der Bauteiloptimierung im Zusammenspiel der Beteiligten und betrifft die Werkstoffauswahl, die Oberflächenbehandlung, das Formkonzept und den Thermohaushalt. Lagler sieht dabei noch riesige Potenziale für Strukturgussbauteile und konnte das am Beispiel einer Federbeinstütze verdeutlichen.
Große Gussteile brauchen große Formen, da ist Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Siegfried Heinrich von Schaufler Tooling GmbH & Co KG Spezialist und weltweit ein gefragter Partner.
In seinem Vortrag zu den Herausforderungen komplexer Formkühlungen zur effizienten Herstellung großer Druckgussteile deutete Heinrich an, dass Formen bis 200t besondere Aufmerksamkeit an die Komplexität der Kühlung und auf die Schieber richten.
Im Weiteren wurden Praxisbeispiele aus den Bereichen Kokillenguss zum Werkzeugeinsatz, Thermomanagement, Werkstoffeinsatz und zur Gießprozess-Simulation präsentiert bevor die Veranstaltung mit einem Besuch der Leichtmetallgießerei von BMW in Landshut abgerundet wurde.
Begleitend zur VDI-Tagung fand im Foyer auch die Ausstellung mit interessanten Unternehmen und einer Fülle von herausragenden Exponaten statt.
Hier die Ausstellerfirmen: ACTech GmbH, ALUMAG Automotive GmbH, Aluminium Rheinfelden Alloys GmbH, Grunewald GmbH & Co.KG, NEMAK Europe GmbH, August Mössner GmbH + Co.KG, Martinrea Honsel Germany GmbH, Visiometa GmbH