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Gießereien Kempten: Wir wollen die Zukunft selbst in die Hand nehmen

Die Kemptener Eisengießerei am Tisch mit der Fakultät Maschinenbau der Kemptener Hochschule. Eine Diskussion über das Sammeln von Daten im laufenden Gießereibetrieb, Digitalisierungsprojekte, die Zukunft von KI sowie darüber, was eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Unternehmen ausmacht.

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International Editor Diana, Engelmann

Es ist ein schmaler Grat zwischen Tradition und Moderne, den eine Gießerei heutzutage beschreiten muss. Diese alte, ehrfürchtige Industrie befindet sich heutzutage in einem Gefecht zwischen nationalen und internationalen Spielmächten aus Politik, Wirtschaft und Verbänden. Im Angesicht der weltweit steigenden Rohstoff- und Energiepreise, der Ressourcenknappheit, der wachsenden Inflation und der durch den IVW prognostizierten Rezession, könnten die damit verbundenen Herausforderungen für die Gießereiindustrie kaum größer sein. Diese makroökonomischen Bedingungen sind kein leichter Nährboden für Deutschlands Gießereien, wobei die gesamte Branche auch in der Vergangenheit immer wieder Krisenzeiten überstanden hat.

Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind die Schlagworte

Aus mikroökonomischer Sicht sind „Digitalisierung“ und „Künstliche Intelligenz“ heute die Schlagworte, mit denen eine Gießerei konfrontiert wird. So auch die Kemptener Eisengießerei, die schon seit 1946 besteht und als typische mittelständisch strukturierte Gießerei komplexe Gussteile für namhafte Industrieunternehmen (u. a. Grob, Dornier, MAN, Liebherr, Bihler, Deckel, DMG Mori) herstellt. Produziert werden die unterschiedlichsten Produkte für den Maschinenbau, Fahrzeugindustrie, Schienenverkehr, etc.

Um die Digitalisierung und die Nutzung von KI-Anwendungen im Sinne der mittel- und langfristigen Unternehmensziele voranzutreiben, setzt die Kemptener Eisengießerei auf die Kooperation mit der Fakultät Maschinenbau der Hochschule Kempten. Schon seit Jahren gibt es hier gemeinsame Entwicklungsprojekte, mit dem Ziel, relevante Daten im laufenden Gießereibetrieb zu sammeln und zu analysieren und so zu Informationen und Wissen zu verarbeiten. Damit können aktuelle und zukünftige Anforderungen an die Effizienz der betrieblichen Produktionsprozesse so erfüllt werden, dass diese auch der Energie- und Ressourcennutzung effektiv gerecht werden können.

„Für die Digitalisierung braucht es Menschen, die sich engagieren“ - Prof. Dr.-Ing. Dierk Hartmann

„Unser Thema ist die Digitalisierung von komplexen Produktionsprozessen. Dafür braucht es Menschen, die sich in positivem Sinne engagieren. Und die Kemptener stellen dies mit einer hochmotivierten Zusammenarbeit von der Unternehmensleitung bis hin zum Werker auf bemerkenswerte Art und Weise auf die Beine“, so Prof. Dr.-Ing. Dierk Hartmann, vom Institut für Produktion und Informatik – Sonthofen der Hochschule Kempten (IPI).i. Mehrmals im Jahr finden offene Diskussionsrunden in der Kemptener Eisengießerei statt, in der sich die Projektleitung des IPI mit den Führungskräften der Eisengießerei über die laufenden Entwicklungen zu Digitalisierung und KI austauschen.

So auch an einem verregneten Dienstag im April 2023, an dem sich die Runde auf dem Werksgelände trifft, in unmittelbarer Nähe zu den Produktionsbereichen des Schmelzbetriebes und der Hand- und Maschinenformerei.

„In dieser Runde kennen wir uns alle. Das Entscheidende ist, dass wir hier alle dieselbe Sprache sprechen, dass wir uns austauschen und verständigen können. Diese Kommunikation auf Augenhöhe basiert auf großem gegenseitigen Vertrauen und ist ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche und nachhaltige Projektdurchführung“, so Hartmann.

„Wir müssen uns weiterentwickeln, um die Zukunft des Maschinenbaus zu sichern“, Roland Hübner, Vorstand der Kemptener Eisengießerei

Seitens der Gießerei sind in der Diskussionsrunde vertreten: Roland Hübner, Vorstand der Kemptener Eisengießerei; Gießereileiter Michael Windl, Vertriebsleiter Manfred Szymanski, Leiter der Arbeitsvorbereitung Alexander Kraus und EDV-Leiter Jean-Pierre Hacquin. Angeleitet wird die Diskussion von Thomas Fritsch, CEO von Foundry-Planet (www.foundry-planet.com), als begleitendes Medium.

Die bahn brechenden Fragen sind, auf welchem Entwicklungsstand sich die Gießereiindustrie hinsichtlich Digitalisierung und KI befindet und wie innovativ und fortschrittsorientiert diese Industrie ist. „Gerade für die mittelständische Industrie mit ihren sehr spezifischen Rahmenbedingungen müssen wir als Hochschulinstitut Digitalisierung anwendungsgerecht, anfass- und begreifbar entwickeln. Das ist immer eine gemeinsame Aufgabe, am Ball zu bleiben und sich weiter zu entwickeln, um belastbare Bausteine für die Zukunftssicherung von Gießereien zu schaffen“, so Hartmann.

 

„Wir müssen uns weiterentwickeln, um die Zukunft des Maschinenbaus zu sichern“, Roland Hübner, Vorstand der Kemptener Eisengießerei

Seitens der Gießerei sind in der Diskussionsrunde vertreten: Roland Hübner, Vorstand der Kemptener Eisengießerei; Gießereileiter Michael Windl, Vertriebsleiter Manfred Szymanski, Leiter der Arbeitsvorbereitung Alexander Kraus und EDV-Leiter Jean-Pierre Hacquin. Angeleitet wird die Diskussion von Thomas Fritsch, CEO von Foundry-Planet (www.foundry-planet.com), als begleitendes Medium.

Die bahn brechenden Fragen sind, auf welchem Entwicklungsstand sich die Gießereiindustrie hinsichtlich Digitalisierung und KI befindet und wie innovativ und fortschrittsorientiert diese Industrie ist. „Gerade für die mittelständische Industrie mit ihren sehr spezifischen Rahmenbedingungen müssen wir als Hochschulinstitut Digitalisierung anwendungsgerecht, anfass- und begreifbar entwickeln. Das ist immer eine gemeinsame Aufgabe, am Ball zu bleiben und sich weiter zu entwickeln, um belastbare Bausteine für die Zukunftssicherung von Gießereien zu schaffen“, so Hartmann.

Woher kommt die Motivation für die Zusammenarbeit?

Doch woher kommt die Motivation für die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Eisengießerei? „Die Motivation kam, da wir an diesem Entwicklungsprozess teilhaben wollten“, erklärt Hartmann. „Unser Ziel war eine gute Basis für die Forschung und Entwicklung der Hochschule. Wir verfügen über ein gutes Netzwerk zu Förderverbänden und zur Industrie. Doch das hat man nur, wenn man vernünftige Arbeit leistet. Dass wir der Gießerei im Daten-Transformationsprozess helfen, ist wichtig – in allen Projekten des Instituts“, so Hartmann.

„The man of the match“ im Digitalisierungsprozess ist Jean-Pierre Hacquin, EDV-Leiter der Kemptener Eisengießerei. Als einer von wenigen sieht er die Dinge immer aus zwei Perspektiven: als Mann der Gießerei und IT-Spezialist. „Es gab immer wieder ein Folgeprojekt, um die Erfahrungen vorangegangener Projekte zu nutzen und weiterzuentwickeln, aber auch, um Schwachstellen des letzten Projekts auszubalancieren“, erklärt Hacquin. Dabei stellte sich heraus, dass zu Beginn der Digitalisierungsphase in der Kemptener Eisengießerei generell zu wenig Daten erhoben worden sind. Ein Dauer-Projekt von Hacquin ist die Datenverarbeitung. „Wir mussten dafür Maschinen umrüsten, neue IT-Strukturen aufbauen und Mitarbeiter motivieren. Das war ein langer Weg, mit vielen unvorhergesehen Problemen, die bewältigt werden mussten. Da mussten alle an einem Strang ziehen“, erzählt Hacquin, der mit dem IPI und seinem Team in der Vergangenheit eine App entwickelte, mit Informationen zum jeweiligen Gussteil für die Mitarbeiter. Die App wurde in ihrer ersten Version allerdings doch weniger genutzt als erwartet. Hacquin zeigt sich aber positiv: „Wir entwickeln konsequent weiter, befinden uns immer wieder in neuen Testphasen, probieren immer wieder aufs Neue aus, was funktioniert und was nicht. Und immer geht es darum, die richtigen Personen für ein Projekt an Bord zu holen.

Win-Win-Situation für Hochschule und Eisengießerei

Die Zusammenarbeit mit der Hochschule bringt zahlreiche Vorteile mit sich, wie auch EDV-Leiter Hacquin findet. „Professor Hartmann unterstützt uns mit den richtigen Leuten, sodass wir zu positiven Ergebnissen kommen.“ Und auch seitens der Hochschule Kempten wird die Zusammenarbeit als Win-Win-Situation gesehen. „Wir müssen von Anfang an die richtigen Partner haben, um ein Projekt zum Laufen zu bringen und um dafür zu sorgen, dass es weitergeht. Und bei der Kemptener Eisengießerei ist das der Fall“, unterstreicht auch Prof. Dr.-Ing. Frieder Heieck vom IPI.

Und auch Gießerleiter Michael Windl befürwortet die zahlreichen Vorteile, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, wie zum Beispiel eine Kosteneinsparung von 5,4 Prozent bei gleichem Produktionseinsatz: „Ich kann bestätigen: Es ist immer ein Miteinander. Man versucht alles gemeinsam im Team zu gestalten.“ Dabei liegt das Erfolgsgeheimnis einer gelungenen Kooperation liegt nicht nur im Miteinander, sondern hängt auch von den äußeren Rahmenbedingungen ab. „Was es braucht, ist ein gemeinsamer Rahmen, in dem man sich gut bewegen kann. Entscheidend ist, dass finanzieller Spielraum und Zeit zur Verfügung stehen und dass man Teilerfolge feiert“, so Windl.

Was bedeutet Digitalisierung und KI in Bezug zur Gießerei?
 

Künstliche Intelligenz und Digitalisierung hängen zusammen. Dabei stellt sich die Frage: Was bedeutet Digitalisierung in Bezug zur Gießerei? „Was wir möchten, ist eine Informationsbasis zu erschaffen, um die Arbeit im Unternehmen zu erleichtern, effizienter und effektiver zu werden, um damit letztlich einen Beitrag zur Zukunftssicherung des Unternehmens zu leisten. Dabei geht es zunächst einmal gar nicht um KI. Natürlich haben wir KI-Projekte, wenn es um die Analyse und Optimierung komplexer Prozesszusammenhänge geht. Doch die Basis sind erst einmal Daten. In einer Gießerei laufen unglaublich viele Prozesse gleichzeitig ab, sind extrem miteinander vernetzt und beeinflussen sich oft gegenseitig. Und eine ausreichende Datengrundlage ermöglicht Wissensbildung und bildet das Fundament für KI-gestützte betriebliche Entscheidungen“, erklärt Hartmann. Dieser Meinung ist auch Geschäftsführer Herr Hübner, der in diesem Zusammenhang die Wirtschaftlichkeit eines Projekts betont. „Daten sammeln muss sich rechnen. Sonst kommen wir nicht auf die Gewinnerstraße und es gibt viele Störstellen.“

Laut Hacquin existiert mittlerweile  einemittlerweile eine vollständige durchgängige Datenstruktur in der Kemptener Eisengießerei. „In jüngster Vergangenheit konnten sehr viele Daten gesammelt werden. Diese werden momentan in einer Cloud gespeichert, in der bereits viele Gigabyte an Unternehmensdaten zum Sichten und Auswerten vorliegen. Diese Daten bilden die Grundlage für Betriebsleitung und Geschäftsführung, um Entscheidungen zu treffen“, so der EDV-Leiter.

Die Frage ist, was machen wir mit den Daten?

Hacquin geht in seiner Fragestellung sogar noch einen Schritt weiter: „Die Anlagen, die wir haben, sammeln ja ohnehin Daten. Heute sind wir jedoch an dem Punkt, dass wir Anlagen wollen, die – individuell für uns – Daten sammeln. Es geht dabei um die Grundsatzfrage, zu welchem Zeitpunkt können wir überhaupt Informationen sammeln? Zum Beispiel beim Einschalten eines Schmelzofens, oder beim Tiegelwechsel?“ Viele Projekte scheitern nicht am Punkt Daten zu sammeln, sondern an der Grundsatzfrage, wie die Daten genutzt werden können. Die Kunst besteht also darin, die Erkenntnisse der Wissenschaft mit der Erfahrung der Produktion zu vereinen. Das alles auf der Grundlage eines gemeinsamen strukturierten Vorgehens um über die Fragetechnik, Zielsetzungen, Wünsche und Notwendigkeiten herauszuarbeiten. Die Lösung sieht Hacquin darin, jeder Abteilung die geeigneten Daten bereitzustellen. Oder wie es Heieck zusammenfasst: „Unser Ziel ist eine Datenvernetzung auf hohem Niveau, um sinnvolle Zusammenhänge zu analysieren.“

Die „richtige“ Interpretation der Daten durch geeignetes Fachpersonal

Und auch Hartmann findet: „Wenn es darum geht, die Zusammenhänge herzustellen – wenn es um den Datenvergleich geht – dann ist es wichtig, dass dies von einem IT-Spezialisten gemacht wird. Das klingt zwar einfach umsetzbar, doch es ist gar nicht so einfach solche Leute zu finden.“ Die Kemptener Eisengießerei ist derzeit auf der Suche nach dem geeigneten Personal, diese immense Datenvielfalt „richtig“ zu analysieren. Denn um einen Gießereibetrieb zu optimieren, muss laut Hacquin anders selektiert werden als beispielsweise für die Qualitätssicherung oder die Arbeitsvorbereitung.

Welche Vorteile bringt die Digitalisierung und Anwendung von KI in der Kemptener Eisengießerei?

Der Vorteil ist, dass hohe Kosten in der Gießerei eingespart werden können. Das betrifft zum Beispiel die Frage, wann der günstigste Zeitpunkt ist, die Schmelztiegel zu ersetzen. Werden sie zu früh ersetzt, verursacht das einen großen Kostenblock in der Neuanschaffung. Ersetzt man sie jedoch zu spät, besteht die Gefahr, dass sie reißen und dabei Schmelze ausstritt. Mittels KI lässt es sich also unter Berücksichtigung der vielfältigen und sich ständig verändernden prozessbedingten Einflussgrößen vorausberechnen, wann die Schmelztiegel ersetzt werden müssen. Und heute ist die Gießerei Kempten an dem Punkt, dies genau vorauszubestimmen. Diese Ergebnisse bringen lt. Windl ganz neue Denkanstöße. „Der Tiegelverschleiß hat einen großen Einfluss auf den Energieverbrauch, doch das sieht man in den Daten ohne besondere Analysen gar nicht“, so Windl. Aufgabe der KI ist es, komplexe Wirkzusammenhänge in den Daten zu erkennen und für Entscheidungen über eine optimierte Prozessführung nutzbar zu machen.


Hinsichtlich der Schmelzeinrichtung hatte Kemptens Ausrüster ABP Induction Lösungen für eine umfassende Datenerfassung verfügbar, doch kein Fachpersonal, das unternehmensspezifische Datenanalysen durchführt. Florian Huber, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Kempten, hat heute die Möglichkeit, auf die gesamte Datenstruktur der Kemptener Eisengießerei zuzugreifen, so auch auf alle Daten des Energiemanagementsystems. So werden die Zusammenhänge zwischen Prozessführung und Energieverbrauch unmittelbar sichtbar und für entsprechende Optimierungsmaßnahmen verwendbar gemacht.

Gießereianlagenbauer werben heute bewusst damit, dass ihre Maschinen und Anlagen eine Vielzahl an  Messdatenan Messdaten liefern, egal ob Schmelzanlage oder Sandmischer. „Aber Maschinen sind erst einmal nur Datenquellen. Dass sie eine KI anbieten, die Daten verknüpft und Lösungsvorschläge anbietet, gibt es so nicht“, so Hartmann. Mit dem Energiemanagementsystem werden Energieverbrauchsdaten gesammelt und statistisch aufbereitet. Doch anschließend braucht es Kompetenzen, die genau mit diesen Daten experimentieren und sie mit anderen Produktions-oder Prozessdaten intelligent verknüpfen. Genau an dieser Stelle setzt die Entwicklung von KI-Prozessmodellen an. Und deren Nutzen und Anwendbarkeit ist vom unmittelbaren Zusammenwirken der beteiligten Kompetenzen abhängig, das sind hier die Gießerei selbst, der Ofenbauer ABP und die KI-Kompetenz des IPI. Und erst dieses Zusammenarbeiten aller erforderlichen Erfahrungen und Kompetenzen ist die Grundlage für den Erfolg von Digitalisierungsprojekten“, so Hartmann.

Wie bereitet man die Mitarbeiter auf die Digitalisierung vor?

Ein anderes Thema ist die Unsicherheit der Mitarbeiter im Gießereibetrieb, was die Digitalisierung angeht. Denn noch ist die Mentalität von Gießern eher traditionell. „All unsere Gießberichte werden händisch geschrieben und anschließend in der AV digitalisiert. Es gab den Versuch, alle Gießberichte in eine App zu bringen, sodass jeder Mitarbeiter Informationen darüber erhält, was beispielsweise am Vortag produziert wurde. Doch das Projekt wurde eingestellt, da die Mitarbeiter hierfür noch nicht bereit waren“, so Kraus.

Bei der Digitalisierung ist ein Unternehmen jedoch auf die Unterstützung seiner Mitarbeiter angewiesen. Oft mangelt es jedoch an Transparenz, was die Befürchtungen der Mitarbeitenden „eines Tages durch die Maschine ersetzt zu werden“ nur noch bestärkt. Das sieht auch Alexander Kraus so, der in der Kemptener Eisengießerei für die Arbeitsvorbereitung zuständig ist. „Viele unserer Mitarbeiter – gerade die ältere Generation – können sich nicht vorstellen, was Digitalisierung bedeutet. Ihnen fällt die Vorstellung schwer, dass eine Maschine dasselbe machen soll, wie sie selbst. Dabei geht es gar nicht darum, die Leute durch eine Maschine zu ersetzen, sondern sie in ihrer Arbeit unterstützen.“


Die Kunst ist, sich vom alten Arbeitsstil abzukoppeln und die Neugier der Mitarbeiter zu wecken, um sie für das Thema Digitalisierung zu öffnen. Dieser Meinung ist auch Hartmann, der in diesem Zusammenhang betont, dass es darum geht, die Arbeit der Mitarbeitenden leichter zu machen. „Man muss einen Lösungsweg finden, ohne dass betriebliche Bedürfnisse vernachlässigt werden. Denn, wenn Daten während des Produktionsprozesses gesammelt werden, sind das zusätzliche Arbeiten. Deshalb müssen wir die Mitarbeiter aktiv in diesen Prozess miteinbinden“, so Hartmann.

Veränderungen in Aus- und Weiterbildung in der Gießereibranche

Ein Kernanliegen für Gießereien liegt in der Anpassung von Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter hinsichtlich der Digitalisierung. Genau hier sollte lt. Heieck auch in der Ingenieurausbildung angesetzt werden. „Grundlegende IT-Kenntnisse z.B. in  Programmiersprachen, die häufig in Webanwendungen, im Umgang mit Daten und im Machine Learning (ML) verwendet werden, sollten ein unmittelbarer Bestandteil der Ingenieurausbildung sein. Ingenieure von morgen müssen das lernen“, so Heieck. Schließlich sind sich alle in der Runde einig, dass es darum geht, dass das Fachpersonal über den Tellerrand hinausschaut und den Produktionsprozess als Ganzes wahrnimmt. Damit kommt den Schnittstellen zwischen Mitarbeiter und Prozess eine besondere Rolle zu, die in Form von einfach und effektiv arbeitenden und zu bedienenden Assistenzsystemen, entwickelt werden müssen. „Im Institut diskutieren wir gerade darüber, wie wir das aufgreifen können. Wir müssen für die Arbeitsplätze in einem digitalisierten Produktionsumfeld der jeweiligen Mitarbeiteraufgabe angepasste Unterstützungstools entwickeln“, so Hartmann.

Wo geht die Reise hin? Zukunftsausblick der Kemptener Eisengießerei

Die Kooperation zwischen der Kemptener Eisengießerei und Hochschule wird auch in Zukunft weiterhin bestehen, denn alle Teilnehmer sind hochgradig motiviert.

„Wir wollen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen und in der ersten Liga mitspielen. Wir möchten uns von Mitbewerbern abheben, in dem wir weiterhin Projektarbeit fördern, gerade mit der Hochschule Kempten“, betont Roland Hübner, Vorstand der Kemptener Eisengießerei. Weitere übergeordnete Ziele sind Effizienzsteigerung, Stabilität und Energieeinsparungen. Auch möchte die Kemptener Eisengießerei Strukturen und ein Grundverständnis für Digitalisierung und KI schaffen – Schritt für Schritt mit Zeit, Geduld und Demut. Und vor dem Hintergrund des gravierenden Fachkräftemangels geht es heute darum, das im Unternehmen vorhandene Erfahrungswissen so zu sichern, dass es für kommende Mitarbeitergenerationen einfach zugänglich ist. Bei Digitalisierungsanstrengungen der Kemptener Eisengießerei geht es immer darum, das Positive aus den gemeinsamen Projekten zu ziehen und immer wieder neue Erfolge zu verzeichnen. Doch das wichtigste Ziel der Kemptener ist, zu den besten Gießereien in ganz Deutschland zu zählen – auch in diesem Punkt sind sich alle in der Runde einig.

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